Dimensionen - die Welt der Wissenschaft
Das richtige Leben im falschen. Die Utopie des "Roten Wien" und ihr Umfeld. Gestaltung: Marlene Nowotny
20. April 2016, 19:05
Freiheit, Fürsorge, Aufklärung und Körperkultur - diese vier überlebensgroßen Allegorien schmücken die Fassade der Ikone des "Roten Wien", des Karl-Marx-Hofs. Das "Versailles der Arbeiter" ist bis heute das längste Wohnhaus der Welt. Errichtet wurde es nicht, um Rekorde zu brechen, sondern um der großen Wohnungsnot in der Hauptstadt nach dem Ende des Ersten Weltkrieges Herr zu werden. Keine Slums und keine Ghettos, Gesundheitsversorgung für alle, ein klassenloses Bildungssystem - die gesellschaftlichen Ziele, die in den Jahren von 1919 bis 1934 in Wien verwirklicht werden konnten, sind in der europäischen Geschichte bis heute einzigartig. Finanziert wurde die gesellschaftspolitische Utopie genau durch jenes System, das die Revolutionäre eigentlich kritisiert hatten. Ein System, dass die Reichen nicht enteignete, sondern das Vermögen vielmehr langsam umverteilte: Steuern, die Reiche belasten und Arme begünstigen - der Luxuskonsum als Einnahmequelle. Das "Rote Wien" - ein Kampfbegriff, geprägt vom politischen Gegner - existierte in Abhängigkeit von den bestehenden Verhältnissen. Eine Tagung am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften, IFK, geht der Frage nach, wie dieses gesellschaftspolitische Gegenmodell im Österreich der Zwischenkriegszeit verwirklicht werden konnte: Gibt es das richtige Leben im falschen?