Oliver Tanzer

LUKAS BECK

Gedanken für den Tag

von Oliver Tanzer, Autor und Leiter des Wirtschaftsressorts der Wochenzeitung "Die Furche". "Das Böse und das Geld" - Eine Reise zu den gar fürchterlichen Schattenseiten des Kapitals in Legenden, Dichtung und religiöser Wahrheit - und wie sie unsere Wirklichkeit prägen. Gestaltung: Alexandra Mantler

Auf- und Abwertungen - Die Engel und Teufel der Ökonomie

Es geht halt immer auf und ab, das ist ein Gesetz des Lebens, das jedem per Erfahrung ein-, und vielen auch heimleuchtet. Kein Aufschwung, der ewig hält, kein Kanzler, der immer Faymann oder Kern heißt, kein ÖVP-Chef, der lang bleibt, was er sein will.

Nun ist es seltsam: Wenn Ökonomen die Wirtschaft erklären, dann tun sie das nicht durch die Darstellung des Auf und Abs, sondern mit der Darstellung eines stabilen Zustandes. Also man stellt etwa Angebot und Nachfrage vor, schaltet alles Veränderliche aus, etwa Geld, Zinsen, Gier und Panik. Und schon herrscht in der Theorie ein paradiesischer Zustand des stationären Gleichgewichts.

Tatsächlich ist der erste Zustand im biblischen Paradies dem nicht unähnlich. Alles ist in einem Gleichgewicht. Pflanzen, Tiere, Mensch und Gott. Die Menschheit ist so stationär, sie wächst nicht einmal. Es gibt keine Kinder. Es gibt nur Adam und Eva. Und dann kommt die Schlange und vorbei ist es mit der Ruhe. Sie sagt: "Iss von der verbotenen Frucht und du wirst mächtig sein wie Gott".

Und der Mensch gehorcht. Aber warum? Wieder ist es ein Auf und Ab. Der Mensch wertet die Stabilität des Paradieses ab und die Möglichkeiten der Zukunft auf. Er will Entwicklung und Fortschritt für sich. Die Einladung der Schlange verspricht Nutzensmaximierung: Denke individuell, wage Unerhörtes, gewinne Maximales.

In der Wirtschaft ist es oft wie im Himmel. Helden werden oft auch zu Buhmännern, so wie die Engel fallen. Gerade so ging es unseren Rittern des Geldes. Sie waren Helden als die Krise kam und aus verehrten Finanzmogulen wurden Haie und sonstige Ungeheuer. Auf und Ab - aus Teufel mach Held, aus Held Teufel. Es gibt da ein treffendes Beispiel in Michail Bulgakows Roman "Meister und Margarita". Der Teufel tritt als Zirkus-Magier Volant auf, der seine Opfer mit viel Geld besticht, um sie dann zu bestrafen, weil sie sich bestechen haben lassen. Einem der Unglücklichen reißt er unter dem Gejohle des Publikums den Kopf ab, beschimpft ihn und klebt das kapitale Haupt wieder an.

Genau so ergeht es nun den vielgescholtenen Finanzmärkten. Die Ritter des Geldes, an den Pranger gestellt, gedemütigt und beschimpft, dürfen wieder reiten. Sie sind sozusagen wieder die letzte Hoffnung für das Wachstum für Jobs-Jobs-Jobs, Produktivität, Reichtum. Alles soll wachsen. Nur die Lernfähigkeit stagniert. Alternativmodelle werden verlacht, Reformen blockiert, neue, nachhaltige Formen des Wachstums, des Lohns und der Arbeit unter den Tisch gekehrt. In dieser Hinsicht, stehen wir dem Paradies in nichts nach. Wir sind stationär. Aber im Gegensatz zum Garten Eden können wir uns das nicht leisten.

Service

Tomas Sedlacek und Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals", Hanser Literaturverlage

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: The Base
Titel: Born In Devil's Motel
Album: Hotel Rock'n'Roll O.S.T.
Ausführende: The Base
Länge: 02:00 min
Label: Monkey Music

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