Gedanken für den Tag

17. Dezember 2016, 06:56

Gegen 9 Uhr öffnen sich die Türen der beiden Behandlungszimmer. In einem Zimmer nehmen Eva Krömer und Michael Nebehay ihre Arbeit auf. Eva Krömer war ihr gesamtes Berufsleben Ordinationsassistentin in Wien, Michael Nebehay ebenso lange Internist in der oberösterreichischen Stadtgemeinde Kirchdorf an der Krems.

Im ersten Teil meines Buchs "Die Armen von Wien" beschreibe ich einen Tag bei AmberMed, der Armenambulanz von Wien. Hier werden Menschen gratis behandelt, die keine Sozialversicherungskarte vorweisen können.

Die Ambulanz im Süden von Wien wurde von der Diakonie und vom Roten Kreuz eingerichtet. Und wird von Ehrenamtlichen wie Eva Krömer und Michael Nebehay am Leben erhalten. Die beiden arbeiten aus Überzeugung für AmberMed. "Weil ich jenen helfen möchte, die weniger Glück in ihrem Leben haben als ich", erklärt die Assistentin. "Weil ich in meiner Pension etwas Konkretes, etwas Sinnvolles leisten möchte", ergänzt der Arzt.

Er trägt keinen weißen Mantel, geht den Wartenden demonstrativ entgegen, öffnet die Tür des Behandlungszimmers und ruft mit angenehmer Stimme den Namen des ersten Patienten in den Warteraum. Ein 56-jähriger Mann aus Tschetschenien erhebt sich. Der Doc reicht ihm die Hand, schenkt ihm ein Lächeln. Er bittet einzutreten und Platz zu nehmen.

- Herr Gugiev, was fehlt Ihnen denn?
- Ich krank, ich Grippe. Brauchen bitte Medikament.

Es ist das ernste Interesse an seinem Gegenüber, das sofort Vertrauen schafft. Herr Gugiev deutet, dass er Schmerzen im Kopf und im Rücken hat. Der Arzt nickt, stellt dann die Fragen, die Ärzte stellen, wenn sie eine Infektion vermuten und diese mit den Mitteln der modernen Medizin kurieren wollen.

So viel Leid! Manchmal fragt sich der Arzt auch: "Warum geht es mir und meiner Familie so gut? Wie kann man besser teilen?"

Service

Uwe Mauch, "Die Armen von Wien. 13 Sozialreportagen", ÖGB-Verlag

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler