Zeit-Ton

22. Dezember 2016, 23:08

Noël Akchoté ist ein Grenzgänger zwischen Genres und Zeiten. Neben zahlreichen Eigenkompositionen hat der französische Gitarrist seit einigen Jahren Adaptionen von Musikstücken eingespielt, die von der Renaissance bis zum Reggae, und von Xenakis bis Kylie Minogue reichen. Im Rahmen des musikprotokolls im steirischen herbst 2016 hat er in drei Mittagskonzerten Interpretationen von Stücken von Hildegard von Bingen, Guillaume de Machaut und Gesualdo für Solo-Gitarre gegeben.

Zwischen allen Stühlen

Noël Akchoté wurde 1968 in Paris geboren. Schon in jungen Jahren war er so gut wie jeden Abend auf der Konzertbühne und traf auf Chet Baker oder Tal Falow. Akchoté sagt über diese Zeit, dass er dadurch Jazz-Standards von der Pike auf gelernt hat. Sein ausgeprägtes Interesse am Kino brachte ihn dann in Kontakt mit Thierry Jousse, dem späteren Chefredakteur von "Cahiers du cinéma" und des "Jazz Magazine".

Durch die Begegnungen mit Fred Frith, Luc Ferrari, aber besonders durch Derek Bailey und Evan Parker, wandelte sich sein Stil zum improvisierten und freien Jazz. Seitdem hat Noël Akchoté mit einer fast unüberschaubaren Anzahl an Musikerinnen und Musikern zusammengearbeitet, etwa mit Han Bennik, Steve Beresford oder Linda Sharrock. 1996 gründete er sein eigenes Label Rectangle, und einige seiner Alben - wie zum Beispiel "Sonny II", eine Hommage an Sonny Sharrock - kamen beim Label Winter & Winter heraus, für das er eine Zeitlang der künstlerische Leiter der "Audiofilm"-Serie war.

2011 vollzog er erneut eine drastische Wendung: Noël Akchoté stellte komplett auf digitale Distribution um und begann, sich intensiv mit Interpretationen auseinanderzusetzen. Seitdem hat sich sein bis dahin schon recht umfangreiches künstlerisches Output exponentiell gesteigert. "Die Zeit"-Online rechnete Ende 2013 vor: Mit sämtliche Aufnahmen - solo, in Gruppen oder als Begleitmusiker - kommt er auf an die 900 Alben. Allein mit der Musik von Hildegard von Bingen hat er sieben Platten aufgenommen.

Mittagskonzerte

Einer der Schwerpunkte des heurigen musikprotokolls waren Verbindungen zwischen alter und neuer Musik. Folgerichtig spielte Noël Akchoté in jenem Raum des Grazer Kunsthauses, in dem das "Llullophon" ausgestellt war. Die auf den vor 700 Jahren gestorbenen Theologen Ramon Llull zurückgehende Klanginstallation nannte sich "Logik der Engel". In Akchotés Solo-Adaptionen alter Musik flossen immer wieder Ausflüge in Blues, Jazz und freie Improvisation mit ein.

Im Gespräch erzählt Noël Akchoté über Notationsmethoden seit der Renaissance, setzt sich kritisch mit traditionellen Produktions- und Distributionspraktiken auseinander und hält fest, wie wichtig es sei, dass Musik funktional ist.

Service

Noël Akchoté
musikprotokoll - Llullophon

Sendereihe

• Sound Art: Zeit-Ton

Gestaltung

• Heinrich Deisl