Gedanken für den Tag

Ingrid Pfeiffer über Pfingsten

"Mir geht ein Licht auf". Jenes Ereignis, das aus verängstigten Jüngern mutige Glaubensverkünder gemacht hat, gilt als Geburtsstunde des Christentums, erzählt die Germanistin und Kunsthistorikerin Ingrid Pfeiffer. - Gestaltung: Alexandra Mantler

Sich ein Bild machen

Pfingsten ist ein Bild, ein aufregendes Bild, kaum begreiflich, umso dringender, mir davon ein Bild zu machen. Ich wähle ein frühes für meine Betrachtung, Giottos Darstellung, fertiggestellt um 1300. Gerade dass es unseren heutigen Sehgewohnheiten nicht entspricht, reizt mich daran. Ich begrüße die Reduktion als anregende Herausforderung.

Das annähernd quadratische, fast ganz in Ocker- und Brauntönen gehaltene, kleine Ölbild führt in einen Innenraum, der nur durch eine etwa schulterhohe Barriere vom Außen getrennt ist. Die drinnen sitzen, feiern Schawuot, das jüdische Wochenfest, 7 Wochen und 1 Tag nach Pessach. Hinter ihnen geht es hoch hinauf in eine angedeutete Dacharchitektur mit drei aufgesetzten Giebeln, gleich dreifach also der Hinweis auf die Dreifaltigkeit. Etwas darunter befinden sich drei durch Holzläden verschlossene Fenster. Jeder der Sitzenden trägt den Lichtkranz um seinen Kopf, in dessen Mitte jeweils die kleine Feuerzunge steht. Den Heiligen Geist aber, die weiße Taube, deren Kraft das zu verdanken ist, man muss sie fast suchen. Oben unter dem mittleren Giebel schwebt sie, wie andeutungsweise, und zarte weiße Strahlen gehen von ihr aus. Die nun mit Feuer und Licht begabten Jünger sitzen in merklicher Unruhe, wenden sich einander zu oder schauen nach oben, zur Taube hin.

Die Beobachter draußen sind sehr aufgeregt und in heftiger Bewegung. Drei sind es, die stellvertretend für die vielen, die Zeugen waren, alles erschrocken mitansehen. Heute würde man sagen, es ist eine Momentaufnahme. Ereignis, Erschütterung, Ergriffenheit und Fragen, all das ist im Augenblick festgehalten und weitergegeben bis zu mir 700 Jahre später; nicht in großer Geste, die mir eine Interpretation aufdrängt, sondern bescheiden und zum eigenen Schauen mahnend.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Urheber/Urheberin: Baldassare Galuppi
Titel: Sonata Nr. 5 in C-Dur
* I. Andante (00:07:50)
Ausführender/Ausführende: Arturo Benedetti Michelangeli
Länge: 07:50 min
Label: DECCA 417772-2 DM LC 0171

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