Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Hundert Häuser

Eine Kirche mit politischer Vergangenheit

1934 - Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche

Die Seipel-Dollfuß Gedächtniskirche fügt sich architektonisch unauffällig in den Arbeiterbezirk Fünfhaus ein. Architekt Clemens Holzmeister orientierte sich mit dem schlichten, sachlichen Stil am modernen Kirchenbau der 1920er-Jahre in Deutschland. Ein Ort des sozialen Friedens und des Miteinanders möchte die Kirchengemeinde Neufünfhaus, wie sie heute heißt, sein. Pfarrer Martin Rupprecht ist daher nicht besonders erfreut darüber, dass er schon wieder ein Interview über die Vergangenheit geben soll. Das Problem ist nur: direkt vor dem Kircheneingang befindet sich unübersehbar eine Gedenktafel, die Ignaz Seipel und Engelbert Dollfuß würdigt.

Bundeskanzler Seipel, verstorben 1932, gilt als ideologischer Gründungsvater des Ständestaates. Sein Nachfolger Engelbert Dollfuß regierte autoritär, wurde allerdings 1934 selbst von Nationalsozialisten ermordet. Im Herbst 1934 öffnet die Kirche erstmals ihre Türen - als Seipel-Dollfuß-Gedächtniskirche. Bis 1939 befanden sich hier auch die Särge von Seipel und Dollfuß.

Tausende Dollfuß-Anhänger kamen damals jeden Sonntag hierher, weiß Pfarrer Rupprecht. Der Historiker Andreas Suttner sagt über das damalige Naheverhältnis zwischen katholischer Kirche und Politik: "Dollfuß wurde auch in den Ritus der katholischen Kirche als heiliger Engelbert eingebunden. Diese Sakralisierung zeigt eine sehr starke Verflechtung der katholischen Kirche mit dem autoritären Regime in Österreich."

Neben dem Gedenkstein hat Pfarrer Rupprecht eine Zusatztafel anbringen lassen, auf der sich die katholische Kirche von der autoritären Politik von Seipel und Dollfuß distanziert. Am liebsten würde Rupprecht den Gedenkstein weg vom Kircheneingang schaffen. Für ihn steht die Person Hildegard Burjan im Zentrum, die diese Kirche einst zu Ehren von Ignaz Seipel initiiert hatte, die austrofaschistische Diktatur allerdings selbst nicht mehr erlebte.

Architektur: Clemens Holzmeister
Einweihung: 1934
Adresse: 1150 Wien, Vogelweidplatz 7

Gestaltung: Hanna Ronzheimer

Service

Mit der Sendereihe "Hundert Häuser" wird eine Geschichte Österreichs anhand seiner Architektur erzählt - vom Jahr 1918, in dem am 12. November die Erste Republik ausgerufen wurde, bis zur Gegenwart. Für jedes Jahr steht ein historisch bedeutendes, architektonisch spannendes oder eine Epoche prägendes Bauwerk, das in jeweils einem Radiobeitrag porträtiert wird. Zu hören ist die hundertteilige Reihe von Montag bis Donnerstag um 17:25 Uhr, von Mitte Mai bis 12. November 2018.

Pfarre Hildegard Burjan - Gemeinde Neufünfhaus

Die Kirche Christkönig-Neufünfhaus kann im Rahmen der Veranstaltung Open House Wien am Samstag, den 15. und Sonntag, den 16. September 2018 besichtigt werden.
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