Medizin und Gesundheit

Einfach anders oder ADHS?

Bill Gates, Albert Einstein, Wolfgang Amadeus Mozart - Genies auf ihrem Gebiet. Was wenige wissen, alle drei hatten eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS., In Österreich sind davon etwa zwei bis fünf Prozent der Kinder betroffen. Eine Krankheit, die in der Gesellschaft noch immer stigmatisiert wird. Entgegen der landläufigen Meinung, ADHS sei einem Erziehungsversäumnis geschuldet, weiß man heute, dass die Ursachen genetisch bedingt sind. Hat ein Elternteil ADHS, liegt das Risiko die Erkrankung dem Kind zu vererben bei 25 bis 30 Prozent. Also deutlich höher, als bei Kindern, deren Eltern kein ADHS haben. Obwohl einigen berühmten Personen mit ADHS außergewöhnliche Fähigkeiten nachgesagt werden, können nicht alle Betroffene ihr Potential ausleben und "Geschichte schreiben". Besonders gefährdet sind jene Menschen, die erst in ihrem Erwachsenenleben diagnostiziert werden oder un-diagnostiziert bleiben. Laut Prim. Dr. Ralf Gössler, Obmann von Adapt, einer Arbeitsgruppe zur Förderung von Personen mit ADHS, zeigt sich dieses Problem auch an der hohen Zahl von jungen Gefängnisinsassen mit ADHS. Sie liegt bei über 50 Prozent.

Ursachen für ADHS

Neurowissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass jene Gehirnareale, die für Hypermotorik, Aufmerksamkeit und Impulskontrolle zuständig sind, bei Personen mit ADHS beeinträchtigt sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Botenstoff Dopamin, dessen Konzentration im frontalen Bereich und in den Basalganglien des Gehirns unausgeglichen ist. Durch diese Imbalance kommt es zur fehlerhaften Informationsverarbeitung, Reizüberflutung und Hyperaktivität. Das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren ist jedoch noch nicht final geklärt.

Kann sich ADHS auswachsen?

Der Reifungsprozess des Gehirns endet etwa im Alter von 20 Jahren. Bei Menschen mit ADHS ist dieser Prozess um bis zu fünf Jahre verzögert. Im Zuge der Pubertät bildet sich das Störungsbild bei ca. einem Drittel der Betroffenen zurück. Beim Rest bleiben einzelne Symptome oder sogar das Vollbild der Erkrankung bestehen.

Medikamente, ja oder nein?

Es gibt zwei Arten von Medikamenten in der ADHS Behandlung, Stimulanzien, wie Ritalin und Atomoxetin (aus der Gruppe der Antidepressiva). Beide wirken auf den Dopamin-Haushalt ein. Sie unterscheiden sich in ihrer Wirkungsdauer und in ihrem Suchtpotential. In 70 bis 80 Prozent der Fälle reagieren Patienten positiv auf ritalinartige Medikamente - sie werden aufmerksamer und ruhiger.
Ähnlich hoch ist die Ansprechrate auf Atomoxetin.
Da ADHS von Person zu Person unterschiedlich ist, gibt es aber keine Standard-Therapie. Ob man Medikamente verwenden sollte, welches das richtige ist und wie lange man es nehmen sollte, kann nur ein Facharzt gemeinsam mit den Betroffenen klären.
Manchen Betroffenen kann auch durch eine Kombination von Ergotherapie, Verhaltenstherapie und weiteren unterstützenden Maßnahmen gut geholfen werden.

Prävention durch Diagnose

Besonders groß ist der Leidensdruck bei Erwachsenen, die spät diagnostiziert werden. Viele von ihnen verbindet eine traurige Biografie, von Suchterfahrungen über Ausgrenzung bis hin zum Suizidversuch. Beispielsweise leiden Mädchen mit ADHS bis zu 20 Mal öfter an Alkohol- und Drogenproblemen, als Mädchen ohne ADHS. Der Grund ist teilweise eine "unbewusste Form der Selbstmedikation", um den Dopaminspiegel zu heben. Aber auch ständige Ausgrenzung und Misserfolge können die Betroffenen in die Verzweiflung treiben. Wichtig ist daher eine umfangreiche Diagnostik, die Grundlage für eine aussichtsreiche Behandlung.

Neben dem Ausbau von Therapieangeboten sind daher Informationsangebote für Schulen und Arbeitgeber sinnvoll. Die wichtigste Präventionsmaßnahme ist dennoch eine liebevolle und strukturierende Erziehung, die wesentlich zu Besserung der Symptome beiträgt.

Eine Sendung von Johanna Hirzberger, MA und Dr. Christoph Leprich.
Moderation: Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Haben Sie oder einer Ihrer Angehörigen ADHS?

Was hat sich seit der Diagnose verändert?

Wie wirkt sich die Erkrankung auf Ihr Privatleben aus?

Mit welchen Problemen haben Sie oder Ihre Angehörigen im Alltag zu kämpfen?

Wie wirkt sich ADHS auf Ihren Beruf aus?

Welche Therapieformen haben Sie bereits ausprobiert und wie ist es Ihnen damit ergangen?

Service

Studiogäste im Funkhaus Wien

Prim. Dr. Ralf Gössler
Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Facharzt für Psychiatrie und Neurologie
Obmann von Adapt - Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörungen
Arbeitsgruppe zur Förderung von Personen mit ADHS
AKH Hietzing mit Neurologischem Zentrum Rosenhügel
Riedelg.5
1130 Wien
Telefon: +43 1 880 00 - 361
E-Mail
Homepage

Anna Maria Sanders
Mutter eines ADHS-Kindes
Autorin des Bestsellers "Ich dreh gleich durch!"
E-Mail
Homepage

Melanie Flisar
ADHS-Betroffene

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

ADHS-Selbsthilfegruppen österreichweit
ADHS: Therapie
Allgemeine Informationen über ADHS
Online Schulung ADS Erwachsenenalter
Checkliste für Erwachsene und Partner
Diagnostisches Interview für ADHS bei Erwachsenen
"Alles passiert gleichzeitig"
Dokumentation ZDF: ADHS ein Leben lag

Buch-Tipps:

Anna Maria Sanders, "Ich dreh gleich durch!: Tagebuch eines ADHS-Kindes und seiner genervten Leidensgenossen", Gütersloher Verlagshaus; Auflage: 4 (25. April 2016)

Stefanie Rietzler und Fabian Grolimund, "Erfolgreich lernen mit ADHS: Der praktische Ratgeber für Eltern", Hogrefe AG 2016

Cordula Neuhaus, "ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen: Symptome, Ursachen, Diagnose und Behandlung", Kohlhammer W., GmbH; Auflage: 4., 2016

Monika Ridinger, "ADHS und Sucht im Erwachsenenalter", Kohlhammer W., GmbH, 2016

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