Radiogeschichten

Frühsowjetisches Flussleben

"Der Vater" und "Der Matrose" von Leonid Dobycin. Aus dem Russischen von Peter Urban. Es liest Michael König.

Der Vater rennt mit seinen Kindern zum Fluss, um die Wellen des zu einer bestimmten Zeit den Ort passierenden Dampfers nicht zu versäumen. Ljoska ist fasziniert von einem Balalaika-spielenden Matrosen. Die bebrillte Schaffnerin treibt ihre Kuh nach Hause, Gauner plündern einen Dachboden und Pioniere marschieren mit einem Leiterwagen voller Kvas in den Wald. Sommerliche Kindheitsbilder aus der Frühzeit der Sowjetunion.

Leonid Dobycin, geboren 1894, war der Sohn eines Arztes und einer Hebamme. Er wuchs in Dvinsk (heute Daugavpils, Lettland) auf und lebte in Brjansk als Buchhalter, bis es ihm 1934 gelang sich als Autor in Leningrad niederzulassen. Mitte der 1920er-Jahre galt der zur russischen Avantgarde zählende Schriftsteller als Geheimtipp. Während der "Formalismus"-Debatte gerieten seine Texte - insbesondere sein Roman "Die Stadt N." - in Konflikt mit der stalinistischen Kunstdoktrin. Nach einer Schriftstellerversammlung im Jahr 1936, wo sein Werk einer vernichtenden Kritik unterzogen wurde, verschwand Dobycin spurlos.

Es ist unklar, ob er sich umgebracht hat oder vom Geheimdienst ermordet wurde. Dobycin schrieb 23 Erzählungen und zwei Romane. Die meisten seiner Erzählungen wurden zwischen 1924 und 1930 in Zeitschriften und literarischen Almanachen in Leningrad veröffentlicht - vielfach in von der Zensur verstümmelten Versionen. Sein Werk liegt auch in Russland erst seit 1999 vollständig vor.

Gestaltung: Gudrun Hamböck

Service

Leonid Dobycin, Die Erzählungen. Aus dem Russischen übersetzt und herausgegeben von Peter Urban. Friedenauer Presse, Berlin 2013

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