LUKAS BECK
Gedanken für den Tag
Oliver Tanzer über die Schöpfungsgeschichte
"Diesseits von Eden / Schöpfungstag/zeit". Oliver Tanzer, Autor, Journalist und Leiter des Wirtschaftsressorts der Wochenzeitung "Die Furche", versucht in seinen Gedanken über die Genesis einen Brückenschlag zwischen biblischer und moderner Welt
19. September 2020, 06:56
Für echte Kapitalisten ist der Paradiesgarten am siebten Tag der Schöpfung ein unerträglicher Zustand. Gott ruht, und damit ist der einzige Produzent dieses Weltbildes ausgefallen. Der Mensch wiederum lebt unschuldig von den Dingen und den Abläufen, die schon vorhanden sind. Er isst Pflanzen und Früchte. Er arbeitet nicht, und trotz Auftrag vermehrt er sich nicht und ist gar nicht fruchtbar. Der ganze Rest, Tiere, Pflanzen, leben ungenutzt vor sich hin. Es gibt ja auch keinen Bedarf, der zu stillen wäre, kein Unbehagen, das Änderung verlangen würde.
Die Autoren der Genesis haben in ihrer Erzählung nicht nur menschliche Sehnsucht nach ewiger Stabilität gezeichnet, sondern in ökonomischem Sinn eine stationäre Wirtschaft. Das ist ein relativ stabiler Kreislauf ohne Überverbrauch und Innovation und ohne, wie der Ökonom Alois Schumpeter sagen würde, "schöpferische Zerstörung", die immer neue Konjunkturzyklen hervorbringt und damit neuen Reichtum. Schumpeter hat auch bemerkt, dass der Großteil der Menschen aber genau diesen unkapitalistischen Zustand als zu erreichendes Optimum ansieht. Ruhe und Frieden, Freundschaften, wenn man so will.
Auf der anderen Seite sind nur wenige Unternehmer nach Schumpeter solche schöpferischen Zerstörer: Leute, die unablässig wollen und wirken, getriebene, risikobereite Menschen, die das vermeintlich Gute um jeden Preis gegen das Bessere austauschen wollen. Sie, so Schumpeter, brennen lichterloh für ihre Idee, und erlöschen rasch ausgebrannt. Dieser letzte Teilsatz, das frühzeitige Burnout der Helden, wird von den vielen Verehrern der schöpferischen Zerstörung ignoriert. Dabei ist er entscheidend. Denn wenn Aristoteles recht hat und die großen Dinge sich immer in den kleinen Dingen vorbereiten, dann kann man für unsere Zeit der Heldenunternehmer und Startup-Ritter folgendes schließen: Es liegt in den Zyklen der schöpferischen Zerstörung letztlich die Ursache für die Zerstörung der Schöpfung im Ganzen. Und außerdem: Das Gegenteil dieser schöpferischen Zerstörung und ihrer Wachstumsfolgen ist nicht Selbstbeschneidung oder Degrowth. Es wäre die Wiederentdeckung eines großen alten Gefühls, das Gott dazu Anlass gab, am siebenten Tag zu ruhen: Es war die Zufriedenheit.
Service
Tomas Sedlacek, Oliver Tanzer, "Lilith und die Dämonen des Kapitals. Die Ökonomie auf Freuds Couch", Carl Hanser Verlag
Oliver Tanzer, "Animal Spirits. Wie und Fledermäuse, Pantoffeltierchen und Bonobos aus der Krise helfen", Verlag Molden
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Björn Dixgärd
Komponist/Komponistin: Gustaf Noren
Album: THE MALEVOLENCE OF MANDO DIAO - THE EMI B-SIDES 2002-2007
Titel: Hail the sunny days
Ausführende: Mando Diao /Gesang m.Begl.
Länge: 03:55 min
Label: EMI 9664162 (2 CD, ohne DVD)