Blätter fallen von einem Ast.

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Gedanken für den Tag

Franz Josef Weißenböck über Tod und Leben

Um den eigenen Tod zu wissen, ist Auszeichnung und Last des Menschen. Hier komme auch die Religion ins Spiel, sagt der katholische Theologe und Autor Franz Josef Weißenböck

Der Tod hat die Menschen schon immer bewegt. Der Tod und das Glück. Zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang. Darauf hat im 4. vorchristlichen Jahrhundert Herodot hingewiesen. Er hat uns auch die folgende Geschichte überliefert.

Kydippe war eine Priesterin der Göttin Hera in Argos. Am Festtag der Hera war der Göttin ein Opfer darzubringen, Kydippe musste also zum Tempel. Aber das Ochsengespann ließ auf sich warten. Damit die Opfer pünktlich beginnen konnten, spannten sich die beiden Söhne der Priesterin, ihre Namen sind mit Kleobis und Biton überliefert, vor den Wagen. Die Opfer konnten dargebracht, der Kult konnte pünktlich vollzogen werden. Kydippe war glücklich und stolz auf ihre beiden Söhne. Kleobis und Biton aber waren im Tempel eingeschlafen, erschöpft, wie sie nach der Anstrengung waren. Kydippe betete zur Göttin Hera, sie möge den beiden das Beste zuteilwerden lassen, was es gebe. Die Göttin erfüllte diesen Wunsch: Kleobis und Biton wachten aus ihrem Schlaf nicht mehr auf.

Herodot erzählt die Geschichte im Zusammenhang mit dem sagenhaft und sprichwörtlich reichen lydischen König Krösus. Der zeigte dem athenischen Staatsmann Solon seine unglaublichen Reichtümer und wollte von ihm hören, wen er als glücklichsten Menschen sehe. Krösus war überzeugt, Solon würde ihn nennen. Der aber nannte nur Verstorbene, darunter Kleobis und Biton. Solons Begründung: Kein Mensch kann vor seinem Ende glücklich genannt werden.

Im kleinen Museum von Delphi finden sich zwei Statuen junger Männer, die vielleicht Kleobis und Biton darstellen. Was an ihnen besonders auffällt, ist das seltsame Lächeln, das ihnen ins Gesicht geschrieben ist. Es ist kaum zu bemerken, ein wenig spöttisch, als wollte es andeuten, über ein Wissen zu verfügen, das Lebenden nicht zugänglich ist. Übrigens: Vielleicht deutet genau das auch das Lächeln der Mona Lisa an.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Antonio Vivaldi/1678 - 1741
Titel: Konzert für Oboe, Violine und Orchester in g-moll RV 576
* Allegro - 1.Satz (00:04:13)
Populartitel: Per S.A.R. di Sassonia
Solist/Solistin: Gidon Kremer /Violine
Solist/Solistin: Heinz Holliger /Oboe
Orchester: Academy of St.Martin in the Fields
Leitung: Heinz Holliger
Länge: 02:00 min
Label: Philips 4114662

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