WOLFGANG KUDRNOFSKY
Ö1 Kunstsonntag: Neue Texte
Das Antlitz einer unvollendeten Dichterin
100 Jahre Burgenland. "Ö1 Kunstgeschichten: "Gesichtserkennung". Dine Petrik über ein Fotoporträt der burgenländischen Lyrikerin Hertha Kräftner. Es liest: Silvia Meisterle. Redaktion: Edith-Ulla Gasser.
24. Jänner 2021, 21:40
"Ich habe Zugänge in Kräftners Dunkel gesucht, und bin auf Fakten gestoßen." Das sagt Dine Petrik über die im Jahr 1951 nur 23-jährig verstorbene burgenländische Autorin Hertha Kräftner. Mit Marlen Haushofer, Ilse Aichinger, Friederike Mayröcker, Ingeborg Bachmann und Hannelore Valencak gehört Hertha Kräftner zu den sechs bedeutenden österreichischen Autorinnen, die, allesamt in den 1920-er Jahren geboren, die heimische Nachkriegsliteratur bis in die Gegenwart herauf prägten. Hertha Kräftner blieb in dieser Reihe vor allem als "unvollendete Dichterin" in Erinnerung. Ihr früher Freitod durch das Medikament Veronal und die deutlich von einem schweren Trauma geprägte Lyrik lassen Hertha Kräftner heute als eine tragische Vorgängerin moderner weiblicher Empfindungsliteratur erscheinen.
Die Autorin Dine Petrik, Jahrgang 1942 und Burgenländerin wie Hertha Kräftner, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit ihrer Landsmännin, und hat etliches zu der Frühverstorbenen publiziert. Dine Petriks Zugang ist der einer teilnehmenden Betrachtung. Ihre Hertha Kräftner-Biographie mit dem Titel "Die verfehlte Wirklichkeit" ist Dokumentation und liebevolle literarische Zuwendung zugleich.
"Gesichtserkennung" nennt Dine Petrik ihre für Ö1 geschriebene "Kunstgeschichte", in der sie sich, nach Hinweisen über die Person und das Schicksal suchend, in die fotografische Abbildung von Hertha Kräftners Antlitz vertieft.
Das "Bundesverfassungsgesetz vom 25. Jänner 1921 über die Stellung des Burgenlandes als selbstständiges und gleichberechtigtes Land im Bund" macht den morgigen 25. Jänner 2021 zu einem Schlüsseldatum der burgenländischen Hundertjahrfeiern. Die "Ö1 Kunstgeschichten" sind aus diesem Anlass gleich zwei burgenländischen Autorinnen gewidmet.
Service
Dine Petrik, "Gesichtserkennung", Manuskript, 2020
Zitate aus:
Hertha Kräftner, "Das Werk", Rötzer, 1977
Dine Petrik, "Die Hügel nach der Flut. Was geschah wirklich mit Hertha K.?", Otto Müller, 1997
Hertha Kräftner, "Kühle Sterne", Wieser, 1997
Dine Petrik, "Hertha Kräftner. Die verfehlte Wirklichkeit", Edition ArtScience, 2011
Emmerich Kolovic (Hg.), "Hermann Hakel und die österreichische Nachkriegsliteratur", 2011
Emmerich Kolovic (Hg.), "Hermann Hakel: Von denen ich weiß. Wahrnehmungen eines Literaten", Lynkeus, 2011
Das Gedicht "ein kurzer widerhall der seele noch" ist eine Hommage Dine Petriks an Hertha Kräftner.