Hubert Gaisbauer über Joseph Beuys

26. Mai 2021, 06:56

"An meinem täglichen Spazierweg stehen drei Birken, hoch gewachsen und schlank. Ich kann sie umarmen, kann mich in ihre Mitte stellen und kann mich in ihnen aufrichten. Eigentlich sind sie nur ein Baum, aus einem mächtigen Stamm, der verborgen ist unter dem Moos und unter der Erde. Sie erscheinen nur als drei, wie die drei Engel bei Abraham, die ja auch nur einer sind. Mein Herr, sagt Abraham zu ihnen."

Ich zitiere aus einem Gespräch mit Joseph Beuys, 1984 aufgezeichnet von Friedhelm Mennekes, dem Jesuiten und Kenner von Kunst. Da sagte Beuys: "Die Bäume sind heute ja viel intelligenter als die Menschen. Wenn der Wind durch die Kronen geht, dann geht zur gleichen Zeit durch die Kronen, was die leidenden Menschen an Substanz auf die Erde gebracht haben." Menschen und Bäume wachsen zusammen, an Alter und an Erkenntnis. Sie leiden auch zusammen. Joseph Beuys ist es mehr als nur um Ökologie, es ist ihm um "die Seele der Menschen gegangen. "Denn diese meine Seele wird auch zerstört werden, wenn die Verhältnisse weiter so bleiben, wie sie sind."

"Deswegen pflanze ich ja Bäume", sagte er vor vierzig Jahren, ".die Bäume sind schon im Zustand des Leidens. Sie sind entrechtet. Tiere, Bäume, alles ist entrechtet. Ich möchte die Bäume und die Tiere rechtsfähig machen. Das ist eine Pflicht des Menschen. Wenn er seine Aufgaben hier auf der Erde wahrnimmt, im Sinne der wirklich christlichen Substanz, also des Sakramentes, das durch die Baumwipfel weht, dann muss er sich entsprechend verhalten. ...Heute wird der Wald ja von selbst zu dem, wozu das Holz des Kreuzes benutzt wurde..."

Joseph Beuys gehörte zuletzt keiner Kirche an. Kunst ist bei ihm ein Instrument zur Gewissensbildung. In seinem Denken treffen sich Rudolf Steiners anthroposophisches Dreigliederungsmodell - und der jesuitische Dreischritt des Ignatius von Loyola. Bei Rudolf Steiner heißt es "Freiheit im Geistesleben, Gleichheit im Rechtsleben und Brüderlichkeit in der Wirtschaft", und bei Ignatius konsequent kurz und bündig: "Sehen - Urteilen - Handeln".

Einen ähnlichen Dreischritt meint auch der Titel der Beuys-Ausstellung, die jetzt im Wiener Belvedere 21 zu sehen ist: "Denken - Handeln - Vermitteln".

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Gestaltung

• Alexandra Mantler