August Schmölzer über kleine Wunder

25. Juni 2021, 06:56

Kennen Sie Kamerunschafe? Sie sind unkompliziert, sie bleiben im Winter bei Kälte und Schneefall im Freien, brauchen nur einen Unterstand, in den sie sich zum Widerkäuen zurückziehen. Selbst im Winter zupfen sie sich neben getrocknetem Heu, das man zufüttern muss, ihre Nahrung aus der schneebedeckten Wiese.

Heideboden heißt der kohlschwarze Bock mit seinen wild gedrechselten Hörnern, Locke ist seine Dame in Braun und Lotti das letztjährige Kleine der beiden. Wehe dem, der Locke oder Lotti zu nahe kommt. Von Heideboden bedrängt zu werden ist nicht lustig. Andererseits herrscht Futterneid. Sie sind scheu. Wenn ich ihnen trockenes Brot aus der Hand füttere, kann ich sie streicheln. Nur Heideboden mag das nicht. Er senkt dann den Kopf, murrt und das bedeutet Vorsicht.

Wenn ich nach einem langen Tag nach Hause komme, Mailbox und Mail-Account überquellen, bin ich müde und angespannt. Dann nehme ich mir ein Glas Wein, trockenes Brot, schnalze zweimal mit der Zunge. Alle drei kommen und zupfen mir das Brot gierig aus der Hand. Sie haben schöne ästhetische Gesichter. In ihren Augen, die mich manches Mal direkt anblicken, ist aber nichts, absolut nichts zu erkennen, außer: Her mit dem Brot.

Und doch ist da etwas faszinierend Unschuldiges. Wenn nach einer schönen Unendlichkeit das Brot gefressen und der Wein getrunken ist, verziehen sie sich wieder auf die Weide, als wäre nichts gewesen und ich setz mich entspannt auf die Bank, schenk mir nach und freue mich auf meine Frau und einen entspannten Abend mit ihr.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler