Tartuffe und das Modelaster Heuchelei

10. Jänner 2022, 06:56

Jean-Baptiste Pocquelin, Autor, Regisseur und Schauspieler, 1622 in Paris geboren, bekannt unter dem Synonym Moliere, ist eine Gründerfigur des modernen europäischen Theaters. Ariane Mnouchkine hat ihm 1978 in ihrem großartigen Film Moliere ein Denkmal gesetzt. Man schreibt das Jahr 1658. Moliere spielt zum ersten Mal vor dem französischen König Ludwig dem XIV.

Mit Moliere kommt das Volk an den Hof. Ohnehin lässt sich die Gesellschaft vom Theater kaum unterscheiden. Es ist ein Spiel mit unsichtbaren Masken, die wir vor uns hertragen und die unsere fatalen Seiten, Geiz, Eifersucht, Freude an der Intrige, Misanthropie, Hypochondrie und Scheinheiligkeit verbergen. Molieres berühmtestes Stück Tartuffe, in dessen Zentrum die Umtriebe eines frommen Heuchlers stehen, wird auf Druck des Klerus verboten.

"Die Heuchelei ist ein Modelaster und alle Modelaster gelten als Tugenden", heißt es in Molieres Don Juan. Seinem Geistesverwandten Tartuffe, einem durchtriebenen Betrüger, gelingt es, sich als heiliger Mann in eine ehrbare Bürgerfamilie einzuschleichen und sie in Besitz zu nehmen. Hinter seiner falschen Bescheidenheit verbergen sich ganz andere Antriebe: Geldgier, Machtstreben und sexuelles Verlangen. So stellt der Verführer sein sexuelles Begehren als Frömmigkeit dar: "Die Liebe, die die ew'ge Schönheit in uns weckt", verkündet der Verführer, "erstickt nicht unsere Liebe nach der irdischen".

Wir sind anfällig für die Täuschung, für das vorgetäuschte Gute. Friedrich Nietzsche hat den Befund der Tartufferie auf die moderne Demokratie und den ihr eigenen Zwiespalt zwischen hehrem Anspruch und politischem Alltag übertragen.

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Gestaltung

• Alexandra Mantler