Andy Warhol, 1969

ASSOCIATED PRESS

Gedanken für den Tag

Warhol in der Kirche

"Fünfzehn Minuten Ewigkeit - Zum 35. Todestag von Andy Warhol" von Hartwig Bischof, Künstler und Kunsttheoretiker

Die Wochenliturgie verbindet den Donnerstag mit dem Letzten Abendmahl. Zugegeben, ein "frommer" Anfang. Allerdings nicht im Zusammenhang mit Andy Warhol. Denn kaum einen anderen Bereich hat er dermaßen umfassend und
erfolgreich getarnt, wie sein "religiöses" Leben.

Erst bei der Grabesrede im Jahre 1987 wurde in einer größeren Öffentlichkeit darüber gesprochen. Die Kindheitsreligion, im Elternhaus mit großer Selbstverständlichkeit gepflegt, legte Warhol offensichtlich nie ab, wenngleich er sie im Verborgenen weiter praktiziert. Hätte er sich "geoutet", wie man das Neuhochdeutsch nennt, dann hätte er wohl wenig zu gewinnen, dafür aber viel zu verlieren gehabt. So fiel es nicht auf, dass er regelmäßiger Kirchgänger war und in einer Suppenküche bei der Essensverteilung mithalf - nicht zu reden vom Gebetsleben, das er gemeinsam mit seiner Mutter pflegte.

Bildlich am umfassendsten setzte sich Warhol mit dem Christentum in ungefähr hundert Bearbeitungen des Letzten Abendmahls von Leonardo da Vinci auseinander. Für Warhol war der erste Zugang zur Bildwelt ja jener der "sakralen Kunst". Leonardos Abendmahl war im Hause Warhola in einer Reproduktion schon dem kleinen Andrej zugänglich. Jetzt - ohne es zu wissen - in den letzten beiden Jahren seines Lebens nahm Warhol einen Druck aus einem Souvenirshop wie ein Stück Natur aus zweiter Hand; er zerstückelte die Vorlage, die für ihn längst selbst schon zu einem Stück Pop-Kultur geworden war, und setzte sie in unterschiedlichen Varianten neu zusammen, konfrontierte die Schwarz-Weiß- Figuration mit diversen Farbspielen und ergänzte Leonardos rein bildhafte Schöpfung mit Logos und anderen Aufschriften aus der Konsumwelt.
Letzteres hatte er schon 1962 von Corita Kent, damals als Nonne im "Auftrag des Herrn unterwegs", übernommen. Kent hatte mit dieser Kombination versucht, die Alltagsreklame durch Zwei- bzw. Mehrdeutigkeit in eine religiöse Sprache zu steigern. Ein Unterfangen, das dem Tarnkünstler Warhol sehr gelegen kam.

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: David Rubato
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: David Rubato
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Jerome Echenoz
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: Jean Rene Etienne
Album: UNE ENFANT DU SIECLE
Titel: Factory girl
Solist/Solistin: Alizee
Länge: 04:09 min
Label: Sony Music 88697662042

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