Stets sehr gekonnt

18. März 2022, 11:30

Gegenüber dem Wiener Konzerthaus erinnert ein Denkmal an einen Komponisten, den Ludwig Wittgenstein gemeinsam mit Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert und Brahms zu "den sechs großen Komponisten" gezählt hat: Josef Labor. Zu diesem Urteil des sonst doch so strengen Philosophen mag beigetragen haben, dass der 1842 in Böhmen als Sohn deutschsprachiger Eltern geborene, 1924 in Wien verstorbene und seit seinem dritten Lebensjahr erblindete Komponist in seinem Elternhaus verkehrte.

Labor wurde Klavierlehrer von u.a. Schönberg, Alma Schindler, die später Gustav Mahler ehelichte, und Paul Wittgenstein, Ludwigs älterem Bruder, der im 1. Weltkrieg seinen rechten Arm "verloren" hatte. Ihm schrieb Labor etwa ein Dutzend Kompositionen "für die linke Hand". Ludwig Wittgenstein spielte Klarinette mehr als leidlich. Vorstellbar also, dass der Autor des "Tractatus logico-philosophicus" und der "Philosophischen Untersuchungen" im Klarinettentrio gemeinsam mit seinem Bruder musiziert hat. Wie die auf dieser CD vorliegende 2. Cellosonate ist es eine Erstaufnahme dieser die Zeitgenossenschaft der Wiener Moderne (Mahler, Schönberg, Berg, Webern) nicht anzumerkenden Werke. Zu danken sind sie dem aus zwei waschechten Wiener Musikern (Jörg Wachsenegger, Klarinette; Gerhard Waiz, Violoncello) und dem waschecht gemachten - aus NRW stammenden - Pianisten Holger Busch bestehenden TRIS Ensemble.

Diese willkommene Aufnahme vermittelt, tonmeisterlich gefördert durch Martin Klebahn, die warme und freundliche Atmosphäre eines Salonkonzerts bei den Wittgensteins. Die Musik von Labor, so formuliert ein Onlinekatalog, "ist stets sehr gekonnt komponiert, immer klangsinnlich, voran melodienselig, sie lässt Raum zum Träumen, sie erfordert keine allzu volle Konzentration." Hm. Um den Wittgenstein der "Philosophischen Untersuchungen" zu paraphrasieren: Ich möchte nicht mit meinem DES CIS anderen ein Urteil über diese CD ersparen. Sondern, wenn es möglich wäre, jemand zu eigenem Hören und Urteil anregen, denn: "Am Schluss muss jede Sprache für sich selbst sprechen."

Service

Aktuelle Aufnahme:
JOSEF LABOR
Trio für Klavier, Klarinette und Violoncello | Sonate Nr. 2 für Klavier und Violoncello
Ensemble TRIS
Capriccio C5446

Sendereihe

• Des Cis

Gestaltung

• Peter Kislinger