Barbara Maier über Nicht in Unschuld waschen

18. März 2022, 06:56

Freiheit wird von uns oft nur als Recht eingefordert, weniger als unsere Verpflichtung verstanden: Wir tragen Verantwortung für das, was geschieht.
Wir können unsere Hände nicht einfach in Unschuld waschen. Wir werden, so Karl Jaspers, durch unser bloßes Dasein schuldig. Denn "wenn ich nirgends auf Kosten anderen Lebens leben will, muss ich auf das Leben verzichten", sagt er uns.
Wir werden durch unsere Freiheit, die uns ermöglicht dieses zu wählen, anderes zurückweisen, schuldig an nicht realisierten Möglichkeiten.
Unserer Freiheit sind wir uns bewusst, wenn wir Ansprüche an uns erkennen. Wir können sie erfüllen oder ihnen ausweichen. Wenn wir die Ansprüche zurückweisen, dann können wir auch selbst berechtigter Weise keine Forderungen an andere stellen.

Jaspers unterscheidet verschiedene Arten von Schuld:
- Die kriminelle Schuld, die vor Gericht festgestellt und durch Strafe geahndet wird.
- Die politische Schuld von Staatsmännern und Staatsfrauen, aber auch von allen Staatsbürger/innen. Es ist jedes Menschen Mitverantwortung, wie er regiert wird.
- Die moralische Schuld, deren Instanz das eigene Gewissen ist, das zu Buße und Erneuerung auffordert. Nie kann gelten: Befehl ist Befehl. Laut Hannah Arendt hat keiner das Recht bloß zu gehorchen.
- Die metaphysische Schuld, die wir an der Grenze, wo wir wählen müssen, auf uns laden.

Es ist das Verhängnis jedes Menschen, in Machtverhältnisse verstrickt zu sein. Nur durch den Einsatz für eine Macht, welche das Recht, die Menschenrechte, verwirklicht, kann dieser Verstrickung entgegengewirkt werden. Und dazu sind wir alle mehr denn je aufgerufen.

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