Zwischenruf

Aspekte moralischer Erfahrung

P. Martin Lintner, Professor für katholische Moraltheologie in Brixen, über Konstrast-, Sinn- und Motivationserfahrung zur Problemlösung

Wir saßen in einem großen Sesselkreis. Schülerinnen und Schüler einer Oberschulklasse diskutierten über ihr Engagement bei Fridays for Future. Ein Beweggrund stach bei vielen hervor: die Angst vor der Zukunft. Sie malten sich aus, wie es in 20 - 30 Jahren sein würde und welche Herausforderungen sie als Erwachsene wohl zu bewältigen haben würden. Überhitzte Städte, Unwetterkatastrophen.

Plötzlich sagte ein Mädchen ganz vehement: "Stopp!" Überrascht wandten sich alle ihr zu. "Diese düsteren Szenarien, sagte sie, machen mich mutlos. Sie demotivieren mich. Sie vermitteln mir den Eindruck, dass unser Einsatz umsonst ist und wir nichts verändern können."

Diese Diskussion hat mich nicht nur an die alte Weisheit erinnert, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, sondern auch an den theologischen Ethiker Dietmar Mieth. Er hat die moralische Erfahrung aufgeschlüsselt in drei Aspekte, die miteinander verschränkt sind, indem er unterschieden hat zwischen Kontrasterfahrung, Sinnerfahrung und Motivationserfahrung.

Kontrasterfahrungen sind ganz konkret. Wir empfinden sie oft zunächst affektiv und emotional. Wir erleben etwas, das uns abschreckt oder das uns empört. Wir finden uns mit dem, was wir sehen und erleben, nicht ab. Irgendetwas sagt uns, so ist es nicht richtig, es sollte eigentlich anders sein. Nach Mieth führt uns die Kontrasterfahrung dazu, dass wir darüber nachdenken: Wenn nicht so - wie dann? Er spricht hier von einer Sinnerfahrung. Das bedeutet, dass etwas, von dem ich überzeugt bin, dass es sinnvoll ist, in dieser Situation fehlt, dass es aber möglich ist, die Situation zu verändern und zu verbessern.

Die Sinnerfahrung bezeichnet er in diesem Sinn als eine Möglichkeitserfahrung: Es kann etwas getan werden. Und genau hier setzt die Motivationserfahrung an: Es liegt auch an mir, etwas zu tun, um die Situation zu verbessern. Weder bin ich ohnmächtig - noch will ich gleichgültig bleiben! Die Motivationserfahrung ist also jener Moment, in dem ich mich meiner moralischen Überzeugungen und meiner persönlichen Wertehaltungen vergewissere und zugleich die realistischen Möglichkeiten meines Handelns abwäge, um schließlich aktiv zu werden.

Ich glaube, dass es wichtig ist, keinen dieser drei Aspekte aus dem Blick zu verlieren: Wenn wir in der Kontrasterfahrung stecken bleiben, laufen wir Gefahr, die Zuversicht zu verlieren und pessimistisch zu werden. Auf Dauer lähmt Pessimismus, er drückt nieder und hemmt den Mut und die Freude, Initiativen zu ergreifen. Auf der anderen Seite kann ein Optimismus, der die konkreten Herausforderungen und schwierigen Situationen nicht wahrnimmt, dazu verleiten, dass wir an der Wirklichkeit vorbeileben oder Probleme nicht wahrhaben wollen, sondern sie verdrängen. Und wir brauchen die Erfahrungen, dass wir etwas tun können und nicht nur ohnmächtig sind. Wir brauchen Empowerment, das heißt, dass wir uns etwas zumuten und zutrauen und dass wir dazu auch befähigt sind.

Die Jugendlichen, von denen ich eingangs erzählt habe, haben sich schließlich darauf geeinigt, sich von den düsteren Prognosen nicht lähmen zu lassen, sondern sich gegenseitig zu ermutigen, gemeinsam zu handeln, denn: "Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, dann werden sie das Gesicht der Welt verändern." - Das war ihre Schlussfolgerung.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Sam Sklair
Gesamttitel: THE ETHNIC SAMPLER
Gesamttitel: The ethnic sampler 1 - Africa
Titel: LAKE KYAGA
Anderer Gesamttitel: Authentische ethnische Musik aus Afrika, Australien, China, Indien, Indonesien (Bali-Java), Japan, Korea, Thailand.
Ausführender/Ausführende: nicht angegeben
Länge: 01:07 min
Label: Sonoton SAS 101, LC07573, DE-B63-90-201-00

weiteren Inhalt einblenden