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Gedanken für den Tag
Martin Schenk über das Vertrauen in die Welt rundum
"Vom Alltag der Weltbeziehungen". Martin Schenk ist Psychologe und Sozialexperte der Diakonie
22. August 2022, 06:56
Einen Korb voller Brot brachte Elisabeth die Stiegen hinunter. Heimlich. Es war ihr von der Herrschaft verboten worden, Leuten in sozialer Not Essen zu bringen. Sie trat in den Hof der Wartburg, blickte vorsichtig nach allen Seiten und wollte durch das Tor rasch ins Freie entschwinden.
Da sprangen zwei Wachen aus der Dunkelheit hervor und hielten sie auf. Die Soldaten zwangen Elisabeth, das Tuch über dem Brot zu lüften, um zu kontrollieren, was die junge Frau da verdächtig mit sich trug. Doch der Korb war voller Rosen. Elisabeth durfte weitergehen. Das Brot kam zu denen, die es benötigten. Seit dieser Geschichte aus der mittelalterlichen Grafschaft Thüringen des 13. Jahrhunderts sind Brot und Rosen miteinander verbunden.
In den USA organisierten sich vor 100 Jahren Näherinnen mit dem Ruf "Wir brauchen Brot, aber wir brauchen die Rosen dazu". 20.000 Textilarbeiterinnen kämpften in Massachusetts für ein Einkommen, von dem sie und ihre Kinder auch leben konnten. Das Brot steht für die existenziellen Lebensmittel, für Materielles, für Existenzsicherung, Einkommen, leistbares Wohnen, Arbeit. Die Rosen weisen auf die Lebensmittel, die man nicht essen kann, aber trotzdem zum Leben braucht - wie Anerkennung, Musik, Freundschaften oder Vertrauen.
Um das geht es auch heute. Hunderttausende kommen mit dem schlechten Lohn nicht über die Runden, Hundertausende machen sich große Sorgen um die Teuerung, Wohnen ist unleistbar und das soziale Netz der Mindestsicherung wurde zerschnitten. Die Corona-Krise macht sichtbar, unter welchen Folgen Menschen am meisten leiden, wenn sie der Rosen beraubt sind: Einsamkeit, Schlafprobleme, Erschöpfung. Denn die Rosen machen die Welt lebendig. Sie gestalten unseren Alltag der Weltbeziehungen. Elisabeth bedeckt den Korb voller Rosen mit ihrem Tuch und geht weiter. Und singt das Lied vom Brot und von den Rosen dazu.
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Textdichter/Textdichterin, Textquelle: James Oppenheim
Komponist/Komponistin: Mimi Farina
Titel: Bread and Roses
Bread & Roses
Album: Pride (Music From And Inspired By The Motion Picture)
Ausführende: Bronwen Lewis
Länge: 01:55 min
Label: Universal Music TV