Heimat Ukraine

22. Februar 2023, 06:56

Sie wäre gerne Gärtnerin geworden, aber nach dem Krieg interessierte sich keiner für Blumen und Bäume. Jahrgang 1936, in Südtirol geboren, Bombardierungen in Innsbruck überlebt, ohne Vater aufgewachsen.

Nachdem ich eine Stunde über die Ukraine und den Krieg auf einer Salzburger Bühne berichte, kommt diese alte Dame, Hiltraud ist ihr Name, mit Tränen und ihrem eigenen Krieg auf mich zu. Zwischen uns liegen Generationen von Menschen, die an die vorrückenden Panzer in Europa nicht mehr glaubten. Kriegserfahrung hinterlässt ein Brandmal, das nie verheilt. Auch ich habe ein solches.

Während meine Freundinnen ihre gefallenen Männer in Kyjiw begraben, reise ich in Österreich und Deutschland herum, um darüber zu erzählen. Die Gespräche mit dem Publikum enden fast immer im Zweiten Weltkrieg. Vielleicht ist es falsch? Vielleicht können die Nachfahren jener, die sich im damaligen Angriffskrieg auf der anderen Seite befanden, nicht verstehen, was es heißt, angegriffen zu werden? Sie schütteln den Kopf, wenn ich sage, dass es nichts Schlimmeres gibt, als in einem Massengrab unterzugehen. Sie schütteln den Kopf, wenn ich sage, dass Stalin gegen Hitler kämpfte, um an der Macht zu bleiben, und nicht, weil er seine Werte für falsch hielt.

Einen Satz lese ich oft vor (für diese Sendung vor drei Jahren geschrieben): "Deine Heimat ist dort, woher deine Traumata stammen." Dann kommt eine andere Frau zu mir und teilt mir mit, dass ihr Vater als SS-Offizier in der Ukraine tätig war. Er habe nie darüber gesprochen und sei längst tot. Aber seine Verbrechen lassen diese Frau nicht in Ruhe. Sie fragt verzweifelt: Wenn das stimmt und die Traumata unsere Heimat ausmachen, heißt es etwa, dass meine Heimat die Ukraine ist?

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler

Übersicht

• Ukraine