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Punkt eins

Lügen und Wahrheit in der Politik

Kein "Recht auf Leichtgläubigkeit", keine "Pflicht zur Wahrhaftigkeit"? Gast: Univ.-Prof. Dr. Simone Dietz, Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Ausgewählte Zahlen, verschwiegene Hintergründe, konstruierte Zusammenhänge. Halbwahrheiten, Täuschungen und vermeintliche Verwechslungen. Verbindliche Zusagen, die abgesagt werden, wenn es konkret wird; Versprechen, die man nie so gegeben, Behauptungen, die man nie so gemeint, Fakten, die man nicht so verstanden haben will - der großzügige Gebrauch der Lüge in verschiedenen Facetten in der Politik wirft eine Reihe von Fragen auf.

Wie viel Wahrheit ist der Politik zumutbar? Welche Rolle dürfen Lügen in der Politik spielen? Wann dürfen wir als Bürgerinnen und Bürger auf die Wahrhaftigkeit der Politik vertrauen oder haben wir grundsätzlich kein "Recht auf Leichtgläubigkeit" - und wann sind politische Lügen moralisch legitim?

Lügen gilt an sich als moralisch verwerflich und ist doch gängige Praxis in allen Lebensbereichen und das nicht erst im Zeitalter der "gefühlten Wahrheiten" und "alternativen Fakten". Wiewohl es wundern mag, dass manche Politiker mit eindeutig falschen, der Wirklichkeit klar widersprechenden Aussagen ("Bullshitting" genannt), erfolgreich sein können. Ein flexibler Umgang mit der Wahrheit ist Teil des politischen Geschäfts und das seit der Antike: Platon kannte gar die "edle Lüge" als "Arznei" für das Volk.

"Lügen ist grundsätzlich eine moralisch neutrale Handlung, die erst in Hinblick auf ihre weiter reichende Absicht zu bewerten ist", schreibt die Philosophin Simone Dietz in ihrem Buch "Die Kunst des Lügens". Die Professorin für Philosophie an der Universität Düsseldorf befasst sich seit ihrer Studienzeit mit der Lüge, hat sich zum Thema habilitiert und ist anlässlich einer Konferenz über "Wahrheit und Lügen in der Politik" in Wien. Als ehemalige Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft hat sie auch einige Jahre Erfahrungen in der politischen Praxis gesammelt.

Die Kontroverse um die Lüge beginnt bereits bei der Frage, was Lügen überhaupt ist, gibt die Philosophin zu bedenken. Mit Sorge beobachtet sie die Tendenz, dass zwischen Tatsachen und Meinungen immer weniger unterschieden wird, dass diese Grenze bewusst aufgelöst wird und somit der Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge in Frage gestellt wird.

Wenn alles eine Meinung ist - und in dieser Form beinahe jede Behauptung legitim - lässt sich dann noch von Lügen sprechen? Und was folgt daraus für die Verständigung, den Diskurs, die Gesellschaft, die Demokratie? Wenn alles in Frage gestellt werden kann, was passiert dann mit der Wahrheit? Und was lässt sich gegen diese bedenkliche Entwicklung tun?

Am Mittwochnachmittag beginnt an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien eine dreitägige, mit international renommierten Psychologinnen und Philosophen besetzte Konferenz zum Thema "Wahrheit und Lügen in der Politik". Simone Dietz hält ihren Vortrag am 30. März zum Thema: "Vertrauen - Grundlage oder Missverständnis von Politik?"

Kurz vor Konferenzbeginn spricht die Philosophin als Gast bei Barbara Zeithammer in Punkt eins über ihr langjähriges Forschungsgebiet und die großen und alten Fragen der Philosophie nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit, die uns heute mehr denn je beschäftigen. Wie immer sind Sie herzlich eingeladen, sich konstruktiv an der Diskussion zu beteiligen: unter 0800 22 69 79 - kostenfrei aus ganz Österreich - oder unter punkteins(at)orf.at

Service

Veranstaltungshinweis:
Die Konferenz Truth and Lies in Politics findet von Mittwoch, 29. März bis Freitag, 31. März an der SFU Wien, Freudplatz 1, Raum 2002 statt.

Buchtipp:
Simone Dietz: Die Kunst des Lügens. Eine sprachliche Fähigkeit und ihr moralischer Wert.
2003 Rowohlt TB.
Erweiterte Neuauflage: Reclam Verlag, Stuttgart 2017

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Komponist/Komponistin: Felix Mendelssohn
Titel: Drei Fantasien oder Capricen für Klavier, Op. 16_ II. Scherzo - Presto (davon 10 Sek. unterlegt)
Ausführende: Dana Protopopescu
Länge: 02:45 min
Label: Koch rec.

Komponist/Komponistin: Felix Mendelssohn
Titel: Drei Fantasien oder Capricen für Klavier, Op. 16_ III. Andante (davon 10 Sek. unterlegt)
Ausführende: Dana Protopopescu
Länge: 04:32 min
Label: Koch rec.

Komponist/Komponistin: Felix Mendelssohn
Titel: Drei Fantasien oder Capricen für Klavier, Op. 16_ I. Andante con moto (davon 1 min. 17 sek. unterlegt)
Ausführende: Dana Protopopescu
Länge: 05:01 min
Label: Koch rec.

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