EU-Migrationspolitik: Ein Deal mit Tunesien

19. Juni 2023, 13:00

Fast eine Milliarde Finanzhilfen haben EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und der niederländische Regierungschef Mark Rutte dem tunesischen Machthaber Kais Saied zugesagt, im Gegenzug für Zusammenarbeit in Fragen der Migration und Grenzsicherung und der Energieproduktion.

Das Abkommen mit einer so stark besetzten EU-Delegation ist ein wichtiges Element einer neuen Migrationspolitik der Gemeinschaft, sagen Befürworter. Kritikerinnen weisen darauf hin, dass es hier nicht so sehr um die Rettung und Rückführung von Migrant:innen geht, sondern in der Praxis und besonders in Libyen und Tunesien immer wieder um tödliche Gewalt, Misshandlung, Vergewaltigung und Ausbeutung. Die Schattenseite des Flüchtlingsregimes wird lediglich auf Länder mit schwächeren Menschenrechtsgarantien abgeschoben, die dafür bezahlt werden, Menschen in Not auf oft brutale Weise aufzuhalten.

Ist das Abkommen mit Tunesien also ein Produkt von brutaler Realpolitik, oder ist es vielleicht ein Anfang einer neuen Phase für die Migration nach Europa -die nicht zuletzt angesichts des schweren Bootsunglücks vor Griechenland in der Nacht auf Donnerstag wieder massiv in der Kritik steht - und für Tunesien selbst, das nach dem arabischen Frühling besonders hoffnungsvoll schien, aber dann in eine tiefe ökonomische und politische Krise geriet?

Gerhard Weinberger war bis 2017 österreichischer Botschafter in Tunis und ist ein ständiger Beobachter des Landes. Im Gespräch mit Philipp Blom erläutert er die Situation in einem ernüchterten und von eigenen Problemen überwältigten Land und die komplizierten Verflechtungen mit der EU und ihrem bisweilen von zweifelhaften Kompromissen gekennzeichneten Flüchtlingsregime.

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