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Gedanken für den Tag
Judith Leyster: Selbstporträt
von Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien
8. Juli 2023, 06:57
Als Kunstwissenschaftlerin und Museumsdirektorin werde ich gerne nach meinen Lieblingskunstwerken gefragt. Eine Frage, die mich immer in Verlegenheit bringt. Denn berufsbedingt gibt es unzählige Exponate aus allen Epochen der Kunst, die mich aus unterschiedlichen Gründen faszinieren, verstören oder berühren.
Aber natürlich gibt es Werke, die es mir besonders angetan haben, wie das herausragende Selbstporträt Judith Leysters. Die Barockmalerin hat etwa zeitgleich zur Italienerin Artemisa Gentileschi als Frau zur Hochblüte der Kunstentwicklungen in den Niederlanden um Anerkennung gekämpft. Ihr eindrucksvolles Selbstbildnis entstand rund um das Jahr 1630 - heute hängt es in der National Gallery of Art in Washington. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem virtuos gemalten Werk um die Eintrittsarbeit in die Malerzunft von Haarlem, in die Leyster als erst zweite Frau aufgenommen worden ist.
Selten habe ich ein Selbstporträt gesehen, das so viel Dynamik, Lockerheit und Selbstvertrauen aufweist wie dieses. Besonders packend: Die dargestellte Person scheint ausgesprochen aktiv mit mir Kontakt aufnehmen zu wollen, durch die leicht geöffneten, zum Sprechen ansetzenden Lippen und den offenen, auf mich gerichteten Blick.
Unter die Haut geht mir dieses Bild, wenn ich mir vergegenwärtige, wie es mit Leyster weiterging. Nach der Heirat mit dem Künstler Jan Miense Molenaer - drei Jahre nach der Entstehung des Selbstporträts - verliert sich ihre künstlerische Spur. Leyster dürfte als Mutter von fünf Kindern weiterhin gemalt haben, wie erst unlängst entdeckte Werke verdeutlichen, meist aber wohl unter dem Namen ihres Mannes. Über Jahrhunderte hinweg sind ihre Bilder dann männlichen Künstlern wie Frans Hals zugeschrieben worden. Und das, obwohl diese unverkennbar ihr Monogramm tragen und ein Schriftsteller noch zu Lebzeiten der Künstlerin 1648 geschrieben hat. "Es gibt viele Frauen, die in der Malerei erfahren und bis heute berühmt sind, die es auch mit Männern aufnehmen können, von denen wird vor allem Judith Leyster genannt, ein wirklicher Leitstern in der Kunst, von dem sie auch den Namen trägt."
Service
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Nicola Matteis 2.Hälfte 17.Jh. - nach 1714
Album: KAMMERMUSIK FÜR GITARRE, BLOCKFLÖTE UND BAROCKGEIGE
Titel: Suite in a-moll für Altblockflöte, Barockgeige und Basso continuo
* Preludio alla maniera italiana - Fuga - Aria
Ausführende: Kammertrio Linz Wien
Ausführender/Ausführende: Helmut Schaller
Ausführender/Ausführende: Michaela Cutka
Ausführender/Ausführende: Wolfgang Jungwirth
Länge: 01:00 min
Label: Domino 801412