Bau einer Bodenplatte für ein Haus

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Punkt eins

Turbulenzen am Immobilienmarkt

Normalisierung oder Zwangsversteigerungen? Gäste: Dr. Alexander Daminger, Ökonom am Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), Forschungsgruppe Regionalökonomie und räumliche Analyse & Christoph Kirchmair, Geschäftsführer der ungebundenen Kreditvergleichs- und vermittlungsplattform Infina & (am Telefon) Gerhard Wagner, Geschäftsführer KSV 1870 Information GmbH. Moderation: Andreas Obrecht. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

In vielen Ländern Europas hat sich die Kreditnachfrage aufgrund des Anstiegs der Kreditzinsen und - damit verbunden - die Neubautätigkeit drastisch reduziert. In Österreich wird dafür - neben der auch im europäischen Vergleich nach wie vor sehr hohen Inflationsrate - auch zusätzlich eine seit August 2022 geltende Verordnung verantwortlich gemacht, die den Zugang zu Immobilienkrediten erschwert: Die "Kreditinstitute-Finanzierungsmaßnahmen-Verordnung", kurz KIM-VO, legt fest, dass 20 % der Gesamtkosten aus Eigenmitteln finanziert sein müssen, die monatliche Kreditrate maximal 40% des verfügbaren Nettoeinkommens ausmacht und die Laufzeit längstens 35 Jahre beträgt.

Da der Traum eines Eigenheims für viele, insbesondere junge Menschen derzeit ausgeträumt ist, fordern Banken und auch viele Stimmen aus der Politik eine Lockerung dieser Bestimmungen. Es solle den Haushalten überlassen bleiben, welche Prioritäten sie bei ihren Ausgaben setzen, zudem stünde zu befürchten, dass der Immobilienmarkt leide, wenn zu den ohnedies, aufgrund der Inflation hohen Baukosten jetzt noch ein Nachfragetief kommt, das zusätzlich durch die neuen Kreditregeln verstärkt wird. Andere wiederum - etwa die Finanzmarktaufsicht, aber auch einzelne Vertreter und Vertreterinnen der Kreditinstitute - sehen in der KIM-VO ein wichtiges Instrument für den Schutz der Kundinnen und Kunden, das verhindert, dass diese sich finanziell übernehmen und es in weiterer Folge zu Zwangsversteigerungen kommen muss, wenn die Kreditraten nicht mehr bedient werden können.

Jahrelang waren die Kreditzinsen sehr niedrig - das, so die Meinung vieler, habe den Markt überhitzt. Jetzt werde weniger gebaut und die Preissteigerungen für Immobilien - seit dem ersten Quartal 2020 rund 29 % - werden gedämpft, was letztlich einer nötigen Normalisierung entspricht. Andere Beobachter wiederum warnen davor, dass auch einkommensstärkere Haushalte gegen ihren Willen in den Mietenmarkt gedrängt werden, in dem sie - man denke an die dramatisch gestiegenen Mieten - noch exponierter sind. Der Anstieg der Kreditzinsen betrifft vor allem auch jene, die ihre Lebensplanung samt Ankauf einer Wohnung oder eines Hauses von zuvor sehr günstigen flexiblen Zinsen abhängig gemacht haben. Es mehren sich Fälle, dass diese erhöhte Zinslast nicht bedient werden kann.

Stellen die Turbulenzen auf dem Immobilienmarkt eine Normalisierung, eine Marktbereinigung dar, oder sind Abverkäufe zu niedrigen Preisen, gar vermehrt Zwangsversteigerungen zu erwarten, wenn die Schuldentilgung nicht mehr bedient werden kann?

"Der Tsunami wurde durch die Zinswende schon ausgelöst", meint Christoph Kirchmair, Geschäftsführer einer Kreditvergleichsplattform, "und das ganze Ausmaß der Probleme werden wir erst 2024 sehen!"

Alexander Daminger analysiert als Ökonom des Wirtschaftsforschungsinstitutes WIFO den Immobilienmarkt nach Kriterien wissenschaftlicher Evidenz.

Alexander Daminger und Christoph Kirchmair sowie Gerhard Wagner, Geschäftsführer KSV 1870 Information GmbH, sind Gäste bei Andreas Obrecht.

Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über Ihre Teilnahme an der Diskussion unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung oder unter punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Andreas Obrecht

Playlist

Urheber/Urheberin: Brad Mehldau
Titel: After Bach
Ausführender/Ausführende:
Brad Mehldau
Länge: 08:21 min
Label: Nonesuch

Urheber/Urheberin: Brad Mehldau
Titel: Resignation
Ausführender/Ausführende: Brad Mehldau
Länge: 05:34 min
Label: Nonesuch

Urheber/Urheberin: Miles David
Titel:
Nardis
Ausführender/Ausführende: Jacky Terrasson
Länge: 05:45 min
Label: Blue Note

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