"Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht"

19. Dezember 2023, 06:57

Als der Philosoph Hans Blumenberg im Jahr 1982 den sogenannten Proust'schen Fragebogen in der FAZ beantwortete, hat er auf die Frage "Was ist Ihr größtes Glück?" lapidar und zugleich tiefgründig geantwortet: "Sagen zu können, was ich sehe."

Dieser Satz spricht von der Schwierigkeit, das, was ich von der Welt und vom Leben erkannt habe, verstehbar und mitteilbar zu machen für andere. Wie oft kommen wir ins Stammeln und Stottern, wenn wir eigene Gedanken zu Papier bringen. Und wie erlösend und glückbringend ist es, wenn das eine Wort gefunden wird und plötzlich aus den vielen Bruchstücken Sinn entsteht. "Sagen zu können, was ich sehe" - das ist die Sehnsucht jedes Denkers, jeder Künstlerin, jedes Schriftstellers.

Um etwas sehen zu können, bedarf es nicht unbedingt einer Erleuchtung. Jedoch, im Dunkeln sieht man nicht gut und bei Licht betrachtet erscheinen die Dinge in der Regel anders und klarer. Es kommt vermutlich nicht von ungefähr, dass wir vom Licht der Vernunft ebenso sprechen wie vom Licht des Glaubens oder vom Licht von Weihnachten.

Der Prophet Jesaja schrieb im 8. vorchristlichen Jahrhundert: "Ein Volk, das in der Finsternis ging, sieht ein helles Licht." (9,1) Schon früh wurde dieses Licht auf die Geburt Jesu hingedeutet. Jesus wird verstanden als das Licht, das das eigene Leben erleuchtet. Und er wird erhofft als das Wort, das Hoffnung und Heilung zur Sprache bringt. Das gilt auch heute, mitten in einer Zeit, in der die Dunkelheit nicht nur metaphorisch gemeint, sondern für viele - zu viele - Menschen düstere Realität ist.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler