Moment
Leben an belasteten Orten
Wenn der Wohnort einmal ein KZ war, am Beispiel der Mauthausen-Nebenlager Gusen und Schloss Lind
6. März 2025, 15:30
Ab 1941 begannen die Nationalsozialisten KZ-Häftlinge österreichweit auf mehr als vierzig Außenlager aufzuteilen. Das Nebenlager Gusen, nur vier Kilometer westlich des Hauptlagers Mauthausen, war fast genauso groß und hatte zeitweise sogar noch höhere Todesraten. Nach der Befreiung im Mai 1945 wurden die Lagerbaracken größtenteils verbrannt. Mitte der 1950er-Jahre entstand am Gelände des ehemaligen KZs eine Siedlung aus kleinen Einfamilienhäusern. 2019 fand eine Familie bei Grabungsarbeiten im Zuge der Sanierung ihres Hauses, das über dem ehemaligen Küchentrakt des KZs erbaut wurde, eine rote Email-Schüssel, einen Trinkbecher und einen Löffel. Ansonsten erinnern in Gusen nur noch das SS-Gebäude, das heute ebenfalls von einer Familie bewohnt wird, das Krematorium und zwei leerstehende Lagerbaracken an das KZ. Wie erklärt man einem Erstklässler, dessen täglicher Schulweg an den Baracken vorbeiführt, was hier einmal passiert ist?
Täglich mit der Geschichte ihres Wohnorts konfrontiert sind auch Britta Sievers und ihr Mann, der Schriftsteller Andreas Staudinger. Das Ehepaar wohnt im Schloss Lind in der Obersteiermark, wo es "das Andere Heimatmuseum" betreibt.
Das Schloss war im Zweiten Weltkrieg ebenfalls ein Außenlager von Mauthausen, in dem sowjetische Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge untergebracht waren. Britta Sievers und Andreas Staudinger leben in einem Trakt des Gebäudes, in dem damals die Schlossverwalter gewohnt haben. Zwei Stockwerke über ihnen schliefen früher die KZ-Häftlinge, Tür an Tür mit den SS-Soldaten.
Besonders intensiv ist die Auseinandersetzung mit diesen Orten nationalsozialistischer Verbrechen, wenn es darum geht, die vielen modernen Kunstwerke, die hier heute ausgestellt sind, vom Staub zu befreien. Diese Putzarbeiten macht das Paar selbst. Sechs Stunden lang wird dann das ganze Gebäude Stock für Stock grundgereinigt. Dabei lösen manche Räume bei Britta Sievers auch noch nach 27 Jahren im Schloss Beklemmungsgefühle aus.
Moderation und Regie: Matthias Däuble
Sendereihe
Gestaltung
- Jonathan Scheucher