Betrifft: Geschichte
Österreich 1938
Alltag im Angesicht von Gewalt, Plünderung und Vertreibung
mit: Regina Fritz, Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien, und Philipp Rohrbach, Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien - VWI
13. März 2025, 15:55
Mit dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 setzte eine Welle ungezügelter Gewalt gegen Jüdinnen und Juden sowie politisch Andersdenkende ein. Politische Gegner:innen sahen sich massiver (staatlicher) Repression ausgesetzt und "Reibpartien", Verhaftungen und wilde "Arisierungen" prägten den Alltag der circa 200.000 österreichischen Jüdinnen und Juden. Neben NS-Stellen und NSDAP-Anhänger:innen bzw. Parteimitgliedern beteiligten sich auch Teile der Zivilbevölkerung an den antisemitischen Gewaltausbrüchen und Raubzügen. Wurde dies zunächst geduldet, schufen die neuen Machthaber bald eigene NS-Behörden, die die wirtschaftliche Ausplünderung der jüdischen Bevölkerung und ihre gewaltsame Vertreibung in staatliche Hände legten. Einen neuen Höhepunkt der Gewalt stellten die Novemberpogrome 1938 und das System der "Notarreste" dar, das dazu diente, Juden festzuhalten und zu terrorisieren. Solche provisorischen Haftorte wurden aufgrund der hohen Anzahl an Verhafteten in Wien unter anderen in der ehemaligen Klosterschule Kenyongasse, 7. Bezirk, in der ehemaligen Volksschule Karajangasse, 20. Bezirk, und in den Sofiensälen, 3. Bezirk, eingerichtet. Viele der dort Inhaftierten wurden in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Damit wurde das Land zum Vorreiter einer antijüdischen Politik, die 60.000 Jüdinnen und Juden zum Verlassen Österreichs bewog. Das in Wien entwickelte und erprobte Modell der Ausplünderung und Vertreibung der jüdischen Bevölkerung wurde spätestens ab November 1938 zum Vorbild für das "Altreich" und in weiterer Folge für andere von NS-Deutschland besetzte Länder.
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- Rosemarie Burgstaller