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Punkt eins
Alles auf Anfang in Kanada?
Das zweitgrößte Land der Welt schielt nach Europa. Gäste: Prof. Dr. Oliver Schmidtke, Director of the Centre for Global Studies, University of Victoria, British Columbia, Professor at the Depts. of Political Science & History und Dr. Petra Dolata, a.o. Professorin für Geschichte, University of Calgary. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
21. März 2025, 13:00
Seit vergangenen Freitag hat Kanada einen neuen Premierminister: Mark Carney, ein Banker, der sich im Laufe seiner Karriere als Ökonom sowohl in London als auch in Kanada einen Namen gemacht hat. Seine schwächelnde Liberale Partei hat durch die kämpferischen Parolen, mit denen Carney auf die Drohungen von US-Präsident Donald Trump reagierte, viel Zustimmung bekommen: Carney wollte sich die groben Attacken des südlichen Nachbarn nicht bieten lassen, der mehrmals vorschlug, Kanada zu annektieren und Carneys Vorgänger Justin Trudeau verhöhnte, indem er ihn zum "Gouverneur" eines zukünftigen 51. US-Bundesstaats degradierte.
Carneys deutliche Worte in Richtung Washington haben offensichtlich den Nerv vieler Kanadierinnen und Kanadier getroffen: Schon wurden konsumpatriotisch US-Waren aus den Supermärkten verbannt und durch kanadische ersetzt; Apps wie Maple Scan, die Produkte daraufhin untersuchen, ob ihr Kauf auch die kanadische Wertschöpfung steigert, haben verstärkte Nachfrage; Reisen von Kanadiern in die USA sind auf das niedrige Niveau aus Pandemiezeiten gesunken, berichtet Radio Canada.
Trumps Attacken empören die Kanadier, aber sie lassen sie auch stärker in Richtung Europa schauen. Nicht umsonst reiste der Premier nach Amtsantritt erst einmal nach London und Paris - auch um auszuloten, welchen Spielraum es für intensivere Handelsbeziehungen zwischen dem riesigen, dünn besiedelten Kanada und der dicht besiedelten Europäischen Union geben könnte.
"Tatsächlich wäre es besser für die Kanadier, wenn sie nicht mit Vergeltung konterten", schreibt der Wirtschaftskorrespondent der FAZ aus Washington. "Denn Handelshemmnisse sind teuer. Das versucht die Welt gerade Trump beizubringen. Aber das gilt auch für Kanada. Stattdessen sollte Kanada mit wilder Entschlossenheit die eigene Wirtschaft durch Deregulierung entfesseln, der EU damit ein Beispiel geben und die USA ihrer eigenen Misere überlassen."
Kanada ist das zweitgrößte Land der Erde. In dem Land mit seinen sechs Zeitzonen leben rund 40 Millionen Menschen in zehn Provinzen und drei so genannten Territorien mit besonders großer Verwaltungsautonomie. Offiziell zweisprachig - englisch und französisch - existieren nicht nur in den besonders von Mitgliedern der so genannten First nations bewohnten Territorien weitere offiziell anerkannte Sprachen der Ureinwohner.
Mark Carneys Herkulesaufgabe dürfte es sein, die Zusammenarbeit zwischen den Provinzen und Territorien auf politischer und wirtschaftlicher Ebene zu vereinfachen und das Momentum der Solidarität zu nutzen, das durch Trumps Drohungen in Kanada entstanden ist. Falls er das nicht schafft, könnte er nach den Neuwahlen bis spätestens im Herbst sein hohes Amt schon wieder los sein.
Alexander Musik diskutiert mit Dr. Oliver Schmidtke, Professor at the Departments of Political Science & History an der University of Victoria, B.C. und Dr. Petra Dolata, a.o. Professorin für Geschichte an der University of Calgary -und mit Ihnen, den Hörerinnen und Hörern von Punkt eins.
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Für wie realistisch halten Sie die (hypothetische) Idee, die laut Umfragen viele Kanadier:innen befürworten, dass Kanada der Europäischen Union beitritt? Das weiträumige und wilde Kanada ist der Traum vieler Auswanderer: Erzählen Sie uns von Ihren Kanada-Aufenthalten, in den ausgedehnten Naturräumen oder in Städten wie Vancouver oder Toronto! Wie definieren Sie die kanadische Identität?
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Gestaltung
- Alexander Musik