Rainer Maria Rilke im Hotel Biron Paris

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Tonspuren

Rilke in Paris - zum 150. Geburtstag

Das Leiden an einer großen Liebe

1902 ging ein junger Mann mittellos nach Paris. 1875 in Prag geboren, aber bald der von ihm dort empfundenen Provinzialität müde, war Rainer Maria Rilke auf der Suche nach neuen literarischen Einflüssen, nach Vorbildern. In Prager literarischen Kreisen hatte er sich zwar einen Namen gemacht, doch seinen Stil noch nicht gefunden.

Da kam der Auftrag, ein Porträtbuch über den französischen Bildhauer Auguste Rodin zu schreiben, der in Paris Furore machte, gerade recht. Als Rilke mit Paris Bekanntschaft machte, traf ihn der Moloch der Metropole mit voller Wucht: dichte Menschenmassen, Lärm, Armut, Schmutz und ein hektisches Getriebe, das den jungen Mann überwältigte.

Doch in Paris lernte er sehen, wie Rilke sagte - und wie er es seinen Malte Laurids Brigge sagen lässt, den Protagonisten in den berühmten "Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", an deren Niederschrift Rilke acht Jahre seines Lebens arbeitete - und sich quälte. Dieser Malte ähnelte dem Autor so sehr, dass Rilke Angst vor ihm bekam und selbst kaum mehr unterscheiden konnte, wen er da beschrieb: eine Kunstfigur oder sich selbst.

Der aus Österreich stammende Rilke-Kenner Gerald Stieg, emeritierter Professor an der Pariser Sorbonne, sagt zu Rilkes Verhältnis zu der Stadt: "Paris tut not! Paris als eine biografische Notwendigkeit. Er hat einen großen Teil seines Lebens in Paris verbracht, und der 1. Weltkrieg war ein fürchterlicher Einschnitt, weil er nämlich aus Paris verbannt wurde. Paris hat also eine absolut einzigartige Stellung, die einhergeht auch damit, dass die französische Sprache tatsächlich seine zweite - nicht nur zweite Umgangssprache - wird, sondern seine zweite poetische Sprache."

Immer wieder kam der große Reisende Rilke, den es nach Russland ebenso wie nach Spanien zog, nach Schweden wie nach Italien, in die Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen wie nach München, nach Paris zurück und zog immer wieder um. Seine berühmteste Adresse: zwei Zimmer mit Gartenblick im Palast des heutigen Rodin-Museums.

1914, zu Kriegsbeginn, wurde der Österreicher Rilke zum feindlichen Ausländer, seine Wohnung und seine Habe wurden beschlagnahmt. Erst elf Jahre später kam er wieder zurück nach Paris - schon schwer gezeichnet von seiner Krankheit, an der er 1926 sterben sollte.

Das Leiden an einer großen Liebe
Rainer Maria Rilke in Paris - zum 150. Geburtstag eines großen Europäers
Feature von Alexander Musik
(Neuproduktion ORF 2025)

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Sandra Richter: Rainer Maria Rilke oder Das offene Leben. Insel Verlag 2025

Gunnar Decker: Rilke. Der ferne Magier. Siedler Verlag 2023

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