Diagonal
Vom EU-Musterschüler zum illiberalen Rabauken - diagonale Einblicke in die Kunst & Kulturwelt Ungarns
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte man in Ungarn demokratische Hoffnungen. Doch die durchaus positive Wendepolitik wich immer mehr einem offenbar unzerstörbaren rechtsautoritären Regime. Wie hat Orbáns Partei FIDESZ, auch mit Hilfe rechter Influencerinnen, Medien unterjocht, die kulturellen Leuchttürme der eigenen Deutungsmacht unterstellt und die Bildungspolitik im Sinne der eigenen national-patriotischen Agenda umgekrempelt?
14. Juni 2025, 17:05
Lange Zeit galt Viktor Orbán als Irrläufer in einer ansonsten solide demokratisch verfassten Nationengemeinschaft. Das hat sich geändert: Heute ist der illiberale Ansatz des Pußta-Populisten fast schon Mainstream geworden und Orbán zum Avantgardisten eines globalen Rechtsrucks avanciert, der mit Gleichgesinnten gerne und intensiv Umgang pflegt. Doch bald hat Orbáns Partei FIDESZ, auch mit Hilfe rechter Influencerinnen seinen Kurs dramatisch geändert.
Das soll vor allem am Beispiel der liberal zivilgesellschaftlich orientierten Central European University CEU, einer George Soros-Gründung erläutert werden, die lange in Budapest ansässig war - bis sie 2018 von Victor Orbán vertrieben wurde. Interessantes Detail: Man könne in Budapest durchaus öffentlich Stimmung gegen Orbán machen, wie vor kurzem der Rapper Majka mit einem viral gegangenen Schmähsong, ohne verhaftet zu werden. Denn die FIDESZ-Macht werde nicht durch polizeistaatliche Repression durchgesetzt, sagen Kritiker, sondern durch "Mind Control" auf den unterschiedlichsten Kommunikations-Plateaus.
Inmitten des retropolitischen Narrativs, das auf fragwürdigen nationalen Mythen wie dem 1000-jährigen magyarischen Reich und dem "Schandvertrag" von Trianon nach dem 1. Weltkrieg fusst, - darüber spricht in der Sendung die renommierte Kommunikationswissenschaftlerin Mária Vásárhelyi - haben sich einige kulturelle Widerstandnester eingerichtet wie das vom Posaunisten Laszlo Göz gegründete Budapest Music Center BMC, das auf hohem Niveau zwischen Jazz und Klassik navigiert und das Katona József Theater, in dem zahlreiche ehemalige Lehrende und Regisseur:innen von der renommierten und brutal liquidierten Theater- und Filmuniversität SZFE ein neues Wirkungsfeld für gesellschaftskritische Bühnenkunst gefunden haben. Darüber hinaus werden in der Sendung die Schriftsteller Laszlo Földényi und György Dragomán zu Wort kommen.
Victor Orbáns Macht scheint derzeit unantastbar zu sein - obwohl ihm mit dem ehemaligen Mitstreiter Peter Magyar ein gefährlicher Herausforderer zugewachsen ist. Aber ob mit einem politischen Wechsel das Land wieder auf den liberalen Weg zurückgeführt werden kann, ist derzeit nicht einschätzbar.
Eine Sendung von Thomas Mießgang und Erich Klein.
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