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Punkt eins
Slowakei: "Genug von Fico"?
Russisches Öl und Kreml-Treue: Landesweite Proteste gegen Regierungschef Robert Fico. Gäste: Prof. Dr. Jozef Batora, International Relations Department der Webster Vienna Private University und Department of Political Science der Comenius Universität Bratislava & Dr. Dirk Dalberg, Politikwissenschaftler an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. Moderation: Alexander Musik. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
22. September 2025, 13:00
Tausende Menschen in 16 Städten der Slowakei sind vor wenigen Tagen erneut gegen die Politik von Langzeit-Regierungschef Robert Fico auf die Straße gegangen. "Wir haben genug von Fico", skandierten sie und wandten sich - wie schon mehrmals zuvor - gegen den Sparkurs Ficos sowie dessen betont moskau-freundliche Haltung.
Öl ins Feuer für den Unmut der Demonstrant:innen goss Ficos erneutes Treffen mit Wladimir Putin in China. Fico war als einziges EU-Staatsoberhaupt nach China gereist, um der Militärparade beizuwohnen, die der chinesische Staatspräsident Xi Jinping veranstaltete. Fico hat Putin damit bereits zum dritten Mal seit der russischen Invasion in die Ukraine getroffen - bis heute importiert die Slowakei russisches Öl.
Laut Daten des Forschungsinstituts Centre for Research on Energy and Clean Air in Helsinki ist die Slowakei zu 87 % von diesen Importen abhängig. Ungarn und die Slowakei dürfen russisches Öl trotz EU-Embargo importieren - dank Sondererlaubnis der EU noch bis 2027.
"Genug von Fico" haben Demonstranten und Oppositionsparteien auch durch die geplanten Maßnahmen der Regierung zur Senkung des Haushaltsdefizits: höhere Beiträge für Kranken- und Sozialversicherung, Abschaffung von Feiertagen, aber auch Steuererhöhungen für Besserverdienende und eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf manche Lebensmittel.
Gleichzeitig beschäftigt die Slowakei der Kahlschlag vieler Kulturinstitutionen: Verantwortlich dafür ist die Rechtsaußen-Kulturministerin Martina Simkovicova. Die frühere Moderatorin eines Privatsenders entließ führende Köpfe der slowakischen Kunst- und Kulturszene, wickelte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab und hat es auf alles abgesehen, was von genuin slowakischer Nationalkultur abweicht. Auch die anerkannten nationalen Minderheiten im Land, darunter die Karpatendeutschen, fürchten um ihre ohnehin knappe Förderung und damit um ihre Sichtbarkeit. In einem Bericht der Berliner Tageszeitung "taz" heißt es dazu: "Manche aus den Reihen des Ministeriums meinen, sie mache das, was sie von ihrem Job als Fernsehmoderatorin kenne: vorlesen, was andere ihr vorschreiben. Das Chaos in der Kultur und der Zerfall des Ministeriums wird von vielen als Ablenkungsmanöver gesehen, das der Regierung gelegen kommt - unabhängig von den Folgen."
Alexander Musik diskutiert mit Dr. Dirk Dalberg, Politikwissenschaftler an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften und Prof. Dr. Jozef Batora vom International Relations Department der Webster Vienna Private University und Department of Political Science der Comenius Universität Bratislava über die möglichen Auswirkungen der Proteste gegen Langzeit-Regierungschef Fico und den politischen und wirtschaftlichen Kurs der Slowakei.
Wie immer sind Sie eingeladen mitzudiskutieren: Anrufe kostenlos aus ganz Österreich unter 0800 22 69 79, E-Mails an punkteins(at)orf.at
Welche Chancen auf Veränderung haben die Proteste in der Slowakei? Werden die stark gestiegenen Kosten für Wohnen und Energie in der Slowakei dazu beitragen, dass Robert Fico versuchen wird, verbilligtes russisches Gas und Öl auch nach 2027 zu importieren? Wie hat sich die Slowakei nach der friedlichen Auflösung der Tschechoslowakei 1993 entwickelt?
Sendereihe
Gestaltung
- Alexander Musik