Arditti Quartet

MANU THEOBALD

Supernova

Die Ardittis, Schönberg, Sarah Nemtsov und mehr

Das legendäre Arditti Quartet feiert verspätet sein Goldenes Jubiläum bei Wien Modern 2025 (2).

50 Jahre Arditti Quartet wollten das singuläre Kammermusikensemble und das Festival Wien Modern schon 2024 gemeinsam feiern - auf standesgemäße Weise an vier Abenden, zwei im Wiener Konzerthaus, zwei im Musikverein, mit vier Uraufführungen, kombiniert mit den vier nummerierten Streichquartetten Arnold Schönbergs. Doch dann kam leider kurzfristig ein gebrochener Arm des Cellisten dazwischen. Desto erfreulicher, dass sich das Projekt nun ein Jahr später in vollem Umfang nachholen ließ.

"Or bahir": Das bedeutet helles, strahlendes Licht. So nennt die 1980 in Oldenburg geborene deutsche Komponistin Sarah Nemtsov ihre Komposition zum Jubiläum des Arditti Quartet. Der Titel bezieht sich auf ein Buch des deutsch-jüdischen Religionshistorikers Gershom Scholem (1897-1982), der 1922 über eine zentrale, im 12. Jahrhundert entstandene Quelle der Kabbala dissertiert hatte: "Sefer ha-Bahir - Das Buch des Glanzes". "Das helle Licht", so erklärt die Komponistin, "hat darin viele Bedeutungen und einige widersprüchliche (wie das Leben widersprüchlich ist) und faszinierende Paradoxien". Den vier Abschnitten ihres Werks liegen vier Zitate daraus zugrunde: (1) "Nun aber sieht man nicht das Licht, leuchtet es in den Himmeln." - (2) "Er macht Finsternis zu seiner Hülle." - (3) "Gewölk und Nebel sind um ihn." - (4) "Auch Finsternis ist vor dir nicht finster, und Nacht strahlt wie der Tag, Finsternis wie Licht."

"Das Streichquartett ist verstärkt", schreibt Sarah Nemtsov weiter, "um nah an all den Nebenklängen zu sein, den Geräuschen, dem Nebel und Staub. Es gibt vier Zuspielungen, die meist subtil Harmonien übernehmen, erweitern und in den Raum tragen. Die letzten Seiten der Partitur schrieb ich im Oktober 2023, während die Welt - wieder - zerbrach. (Die Worte versagen, Trauer um all das unschuldige Leben. Ich sehe die Augen meines Kindes, das hellste Licht, das ich kenne. Unsere Kinder verdienen eine bessere Welt.)"

Bei jedem der vier Abende des Arditti Quartet bei Wien Modern 2025 gab es ein Streichquartett von Arnold Schönberg zu hören - in dieser Supernova-Ausgabe das bei der Uraufführung 1907 skandalös wirkende d-Moll-Quartett op. 7, ein Schlüsselwerk in seinem Schaffen, geprägt durch eine Vielfältigkeit, die aus strenger Ökonomie erwächst. "Die vier Teile", schrieb der Komponist, "sind nicht etwa vier Sätze, die durch Pausen getrennt sind, sondern ineinander übergehende Abschnitte. Die Thementypen der vier Sätze sind zwar angewendet, ihre mannigfache verschlungene Anordnung versucht aber einen einheitlich ununterbrochenen Satz herzustellen."

Außerdem erklangen Salvatore Sciarrinos konzentrierte Sei quartetti brevi, uraufgeführt durch das Arditti Quartet im Jahr 1992 - sowie eines der hintersinnigen Werke des innovativen österreichischen Komponisten Peter Ablinger, der 2025 mit 66 Jahren verstorben ist: In "Wachstum und Massenmord" (2010) fallen erste Probe und Aufführung zusammen, das heißt: Das Streichquartett sieht die Noten auf der Bühne beim Konzert zum ersten Mal.

Ein Ö1 Mitschnitt aus dem Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses vom 31. Oktober und 1. November 2025.

Sendereihe

Gestaltung

  • Walter Weidringer