EU-Präsidentschaft ab Juli

Polen für EU-Beitritt der Türkei

Ein möglicher EU-Beitritt der Türkei wird von den meisten EU-Staaten mit enormen Ressentiments bis Ablehnung betrachtet. Am 1. Juli übernimmt nun ein Land die EU-Ratspräsidentschaft, das ein dezidierter Befürworter eines türkischen EU-Beitritts ist, nämlich Polen.

Mittagsjournal, 21.06.2011

EU geteilter Meinung

Länder wie Frankreich, Deutschland und auch Österreich sprechen sich dezidiert dagegen aus, eine privilegierte Partnerschaft der Türkei mit der EU ist sozusagen die größtmögliche Annäherung, die sich diese Länder vorstellen können. Am 1. Juli übernimmt nun ein Land die EU-Ratspräsidentschaft, die ein dezidierte Befürworter eines türkischen EU-Beitritts ist, nämlich Polen. Ausgerechnet in einem extrem katholisch geprägten Land wie Polen sind die Ressentiments, das möglicherweise ein islamisches Land der Union beitritt minimal.

Polen für Gleichbehandlung

Gleiche Kriterien für alle EU-Beitrittskandidaten - so die polnische Position zu einer möglichen EU-Mitgliedschaft der Türkei. Aus unserer Sicht gibt es keinen Widerspruch zwischen mehr verstärkte europäische Integration und einer Erweiterung der UNION, betont Adam Jasser, Staatssekretär im polnischen Außenamt: "Es ist eine Frage des Prinzips. Die Diskussion, ob die Union sich nicht besser mehr auf den inneren Zusammenhalt konzentrieren solle als nach außen zu expandieren, die gab es schon, als es um den EU-Beitritt Polens ging. Und was ist passiert: die Europäische Integration hat sich vertieft und gleichzeitig hat sich die EU nach Osten erweitert. Wenn es mit uns funktioniert hat, warum soll es nicht auch mit der Türkei funktionieren".

Viele Vorteile

Hinzu kommt aber natürlich auch ein rein praktisches Argument, betont Adam Jasser. Langfristig wäre die Türkei für die Europäische Union nämlich nicht nur kein Problem, sondern von echtem Vorteil: "Die Türkei ist ein wirtschaftlich so dynamisches Land mit einer zentralen Position im Nahen Osten. Die Türkei als Mitglied würde der EU mehr globale Bedeutung verleihen. Die Position der EU in der Welt verändert sich, allein schon aus demographischen Gründen. Die Türkei als EU-Mitglied würde sich letztlich positiv auf das Standing der Europäischen Union in der Welt auswirken".

Strenge Regeln

Das heißt natürlich nicht, dass Polen unkritisch der Türkei gegenüberstehe, betont der polnische Staatssekretär im Außenamt. Es geht derzeit nicht um einen Beitritt in nächster Zukunft. Klar sei, dass Türkei natürlich zunächst alle Aufnahmebedingen der Europäischen Union voll und ganz erfüllen müsse: "Ich möchte betonen, dass eine Aufnahme auf strengen Regeln basieren muss. Wir haben schon Erweiterungen beobachten können, die sehr rasch vollzogen wurden. Wenn man die jetzigen Probleme der Eurozone anschaut, könnte man argumentieren, dass in der Vergangenheit da wohl so manche Regeln nicht so strikt befolgt wurden. Also für einen Beitritt in die EU muss die Türkei alle Regeln genauestens befolgen, und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität".

Kein Widerspruch

Dass aber ausgerechnet ein Land wie Polen, in dem die katholische Kirche eine so zentrale Rolle spielt, den Beitritt eines islamischen Landes wie der Türkei befürwortet - Adam Jasser sieht darin keinen Widerspruch: "Die Umwälzungen in Nordafrika zeigen, dass auch Länder, die sich nicht auf christliche Wurzeln berufen, letztlich die gleichen Werte entwickeln. Das ist das eine. Das andere: die Türkei weckt bei den Polen keine negativen Gefühle - und das hat historische Gründe. Die Türkei war eines der wenigen Länder, die die Aufteilung Polens, das Verschwinden Polens von der Landkarte nicht anerkannte".

Natürlich wird Sobieski, der gegen die Türkenbelagerung vor Wien kämpfte, von allen Polen noch immer verehrt, doch das geht nicht so weit, betont Adam Jasser, dass die Polen die heutigen Türken als Feinde betrachten würden.

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