Ein virtuelles Leben

Second Life

Im Online-Spiel "Second Life" gibt es kein Ziel, es ist ein Umfeld, in dem jeder seine Ideen verwirklichen kann. Einige bestreiten sogar ihren Lebensunterhalt mit ihren Online-Aktivitäten. Auch Firmen expandieren in die virtuelle Welt und eröffnen Filialen.

"Second Life" ist eine virtuelle Online-Welt, die von der in San Francisco angesiedelten Firma Linden Lab betrieben wird. Linden Lab verzeichnet seit dem Start von "Second Life" im Jahr 2003 fast drei Millionen registrierte Nutzer.

Alle diese Nutzer besitzen nun einen so genannten Avatar - eine virtuelle Spielfigur, mit der sie wie in einem Videogame mittels einer speziellen Software durch eine 3D-Welt streifen können.

Im Unterschied zu klassischen Videospielen gibt es bei "Second Life" jedoch keine Level, keine Punkte, keine Monster, keine großen Rätsel und keine Gewinner. Second Life ist eher ein virtueller Treffpunkt für die Freizeitgestaltung, ein Labor für die Entwicklung neuer 3D-Objekte, ein dreidimensionaler Chatroom und eine neue Möglichkeit, im virtuellen Leben reales Geld zu verdienen.

Spielwiese für Kreative

Linden Lab hat diese freien Gestaltungsmöglichkeiten direkt in die Architektur seiner Plattform integriert. So können Nutzer mit einer eigenen Skript-Sprache simple Alltagsgegenstände oder auch hochkomplexe Gebäude erstellen. Die Urheberrechte bleiben bei jenen, die die virtuellen Gegenstände gestaltet haben - und damit können diese Gegenstände auch verkauft werden.

27 Millionen Linden-Dollar soll die in Deutschland lebende Chinesin Ailin Gräf, die in "Second Life" als Geschäftsfrau Anshe Chung auftritt, mit dem Verkauf virtueller Immobilien verdient haben. Das Geld hat sie angeblich in eine Million Yuan umgetauscht - umgerechnet 75.000 Euro - und damit in China eine reale Firma gegründet.

Dort verbringen jetzt Chinesen ihren Arbeitstag in der virtuellen Welt, entwerfen virtuelle Landschaften und Niederlassungen für Firmen. Bekannte Firmen wie Adidas, Toyota, Dell oder SonyBMG haben in Second Life Bürogebäude und virtuelle Flagshipstores gegründet und zeigen ihre neuesten Produkte. Wer sich als cool und up to date geben möchte in der Wirtschaft, muss heutzutage offenbar in der Parallelwelt präsent sein. Andere, wie IBM, nützen "Second Life", um neue Anwendungen für die vernetzte Welt der Zukunft zu erforschen.

Australian Open in "Second Life"

Die Firma IBM, die Second Life zur Auslotung neuer Anwendungen und Geschäftsmodelle sehr intensiv nützt, hat die die derzeit umfassendste Attraktivität in Second Life gestaltet. Für das vierzehntägige Tennis-Großereignis Australian Open wurden sogar das Stadion und die aktuellen Spiele virtuell nachgebaut. Dafür werden die Spieler und der Ball in Realzeit getrackt und die Daten in die Parallelwelt eingespeist.

Etwas Ähnliches in kleinerem Maßstab hatten die IBMer im vergangenen Sommer bereits für die Spiele in Wimbledon entwickelt. Wie bei allen Großereignissen im realen Leben darf natürlich auch das Merchandising nicht fehlen. Schließlich wollen die Bewohner von "Second Life" auch ein paar coole Gadgets haben. So entwickelte ein IBM-Mitarbeiter zum Spaß einen fliegenden Teppich in Form eines Wimbledon-Handtuch und konnte sich bald nicht der Anfragen anderer Bewohner erwehren, die den Teppich kaufen wollten.

Zweite und erste Welt verschmelzen

Für Einzelhandelsfirmen wird es immer interessanter, in "Second Life" einen Flagshipstore zu betreiben. Zum Teil kann man die Produkte dort nicht nur anschauen, sondern auch aus der virtuellen Welt heraus real bestellen.

Günter Walser aus Wien sieht darin die Chance für sein junges Unternehmen. Der IT-Fachmann, der früher bei einem internationalen Konzern gearbeitet hat, hat sich vor etwa einem Jahr selbständig gemacht und mit seinem Kleinunternehmen Wanagu ein Produkt entwickelt, das sich Pal-Pad nennt.

Es ist eine Mischung aus Tasche, Polster und Ablagebrett, auf dem man einen Laptop tatsächlich als solchen benützen kann - nämlich auf dem Schoß aufgestützt. Das Problem Günter Walsers: er hat nach der Entwicklung der ersten Prototypen nicht viel Budget für das Marketing und der Pal-Pad erklärt sich auf den ersten Blick nicht von selbst.

So kam ihm die Idee, den Pal-Pad in "Second Life" zu präsentieren. Helfen soll ihm dabei Christian Posch, Student an der Fachhochschule St. Pölten, der die Idee im Rahmen seiner Diplomarbeit realisieren soll. Tony Fricko, Programm-Manager für Emerging Technologies bei IBM, sieht jenseits von Second Life noch viele Möglichkeiten der Vernetzung verschiedener Welten zwischen dem zweiten und dem ersten Leben und dem, was manche schon als das "Web 3D" bezeichnen.

Mehr zu früheren Ausgaben der Netzkultur in oe1.ORF.at

Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 28. Jänner 2007, 22:30 Uhr

Links
Second Life
Linden Lab
Reuters - Second Life
Wikipedia - Second Life

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