Warum Games- und Movie-Industrie zusammenarbeiten
Vom Spielfilm zum Filmspiel
Seit einigen Jahren ist es Usus geworden, dass zu großen und erfolgreichen Filmproduktionen gleich auch ein dazugehöriges Game auf den Markt kommt. Der erste Blockbuster, der auf einem Computerspiel basierte, kam 2001 in die Kinos: "Tomb Raider".
8. April 2017, 21:58
Der Film "Tomb Raider" brachte die Computerspielabenteuer der prallbusigen Action-Heldin "Lara Croft" auf die Leinwand. Als Gründer und Leiter der Computerspielefirma Eidos ist Ian Livingston einer der Väter von "Lara Croft" und er weiß daher aus eigener Erfahrung, warum Filmindustrie und Gameindustrie in den letzten Jahren immer enger aneinanderrücken und wechselseitig auf ihre Stoffe und Markennamen zurückgreifen.
"Diese Entwicklung passiert, weil man Risiken minimieren möchte. Die Produktion von Games wird immer aufwendiger und teurer und die von Filmen auch. Man möchte das finanzielle Risiko reduzieren und setzt daher auf Produkte und Stoffe, für die es bereits einen Markt gibt. Man muss sich vorstellen: Die Produktion eines Games verschlingt mehr als fünf Millionen Pfund, dauert mehr als zwei Jahre und mehr als 100 Leute sind an der Entwicklung des Spiels beteiligt - ein ziemlicher Alptraum. Wenn man als Spielehersteller dabei die Risiken reduzieren kann, dann macht man es natürlich", sagt Livingston.
Marketing und Merchandising
Vor diesem Hintergrund wird klar, warum ein großer Teil der veröffentlichten Games auf bereits bekannten Filmen basiert und warum im Gegenzug Hollywood bereits erfolgreiche Computerspiele verfilmt. Games werden auf diese Art immer häufiger Teil von Marketing- und Merchandising-Feldzügen.
Primär als Marketing-Gag ist es wohl auch zu bewerten, dass immer mehr Games-Firmen prominente Filmregisseure verpflichten, darunter so hochkarätige Namen wie Peter Jackson, Ridley Scott oder Steven Spielberg, damit diese bei den von ihnen entwickelten Computerspielen "Regie führen". Andererseits werden nicht nur Games immer filmähnlicher, sondern auch ihre immer komplexere Produktion - Expertise in Sachen Filmproduktion ist da durchaus gefragt.
"Matrix"
Einigen Games, die zu Filmen erschienen sind, ist es gelungen, nicht zum bloßen Abklatsch zu werden, sondern neue Wege zu gehen. Das Game zur Film-Trilogie "Matrix" etwa füllt geschickt erzählerische Räume, die zwischen einzelnen Sequenzen im Film entstanden sind. Dabei sind die drei "Matrix"-Filme selbst massiv von der Ästhetik und auch der Erzählstruktur von Games beeinflusst. Zu den Stilmittel, die die Brüder Wachowski als Drehbuchautoren und Regisseure von "The Matrix" dabei von Computerspielen übernommen haben, gehört etwa die Level-Struktur.
"The Matrix" ist allerdings nicht der einzige und auch nicht der erste Film, der sich solcherart von Computerspielen inspirieren hat lassen: Benjamin Sterbenz und Martin Mühl, beide Games-Redakteure bei der Wiener Popkultur-Zeitschrift "The Gap", verweisen in diesem Zusammenhang etwa auch auf die Levelstruktur von Filmen wie "Und täglich grüßt das Murmeltier" oder "Lola rennt".
Spieler als Leiter einer Filmproduktionsfirma
Dass sich Film und Computerspiel auf innovative und höchst originelle Art und Weise miteinander verbinden lassen, zeigt auch das neueste Game "The Movies" von Peter Molyneux. Der Engländer macht den Spieler darin kurzerhand zum Leiter einer Filmproduktionsfirma.
Als formale Vorbilder sind Filme für Peter Molyneux nicht nur im Zusammenhang mit "The Movies" von Bedeutung; sie sind als ästhetische und atmosphärische Referenzpunkte generell wichtig für ihn in seiner Arbeit.
Spieler kreieren den Inhalt
Umgekehrt könnte eine Entwicklung aus der Game-Industrie über kurz oder lang auch auf die Filmindustrie übergreifen: Es geht um den Trend zur Modifikation von Game-Software, die auch unter dem Namen Machinima bekannt ist. Dabei wird ein Open Source-Feature von Computerspielen von kreativen Gamern dazu genutzt, mit den Settings und Charakteren von Games eigene Szenen aufzunehmen.
Einzelne Machinima-Filme erreichen mittlerweile schon Spielfilmlänge und werden bei manchen Festivals bereits in einer eigenen Kategorie gezeigt. Peter Molyneux hat diesem Trend mit "The Movies" bereits Rechnung getragen.
Auch sein Kollege Ian Livingston sieht in der Öffnung von Games für die User und in der Einbindung von Communities die Zukunft - und ein Modell, das auch der Filmindustrie as Vorbild dienen könnte: "Wir haben hier bei Eidos früher immer gesagt: Content ist King. Aber ich denke mittlerweile ist die Community der King. Wir bauen lediglich die Environments, in denen die Spieler dann zunehmend ihren eigenen Content kreieren bzw. uns online bei Multiplayer-Games den Content vorgeben. Auch die Filmindustrie könnte da einiges von uns lernen, denn sonst könnte ihr eines Tages der Sprengstoff für ihre Explosionen ausgehen."
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 16. April 2006, 22:30 Uhr
Download-Tipp
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Link
matrix.ORF.at
futurezone.ORF.at