Sopran- und Mezzosopran-Geschwister
Singende Schwestern-Paare
Die Konetznis und Rysaneks, die Grisis und die Garcias: Schwestern-Paare, die Operngeschichte geschrieben haben. Auch Wiener Operngeschichte ist von Schwestern-Paaren mitgeschrieben worden. Und wer singende Schwestern sagt, muss auch Mozart sagen.
8. April 2017, 21:58
Auch Wiener Operngeschichte ist von Schwestern-Paaren mitgeschrieben worden: die "hochdramatische" Anny und die frauliche Hilde Konetzni, die glühende Leonie Rysanek und ihre nebenbei noch als Operettendiva erfolgreiche Schwester Lotte.
Wenn man nach Sopran- und Mezzosopran-Geschwistern Ausschau hält, für die noch ganze Opern geschrieben wurden, heißt es allerdings: zurück ins 18. und 19. Jahrhundert.
Mozart und die "Weberischen"
Heiraten wird Wolfgang Amadeus Mozart die zweitälteste von vier Töchtern aus der Mannheimer Sänger- und Schauspielerfamilie Weber, Konstanze. Die älteste wird im Wiedener Freihaustheater Mozarts erste Königin der Nacht in der "Zauberflöte" sein, und Musik, die Mozart schon Jahre früher für die jüngere Aloysia Weber geschrieben hat, weist auch sie als fabelhafte Vokalistin aus.
Mozart war heiß in Aloysia verliebt, wurde von ihr aber zugunsten des Wiener Schauspielers Joseph Lange zurückgewiesen, fand sich also in der Rolle von Aloysia Weber-Langes Schwager wieder. Bei der Schönbrunner Premiere des "Schauspieldirektors" kreierte Aloysia Weber die virtuose Partie der Madame Herz; eine Reihe von Konzertarien hat Mozart auf ihre speziellen stimmlichen Fähigkeiten hin komponiert.
Giulia und Giuditta Grisi
Giulia Grisi ist ein unter Opernliebhabern bis heute mit Ehrfurcht ausgesprochener Name aus der Ära des "Belcanto". "Die" Grisi war in Paris am Théatre Italien die Uraufführungs-Elvira in Bellinis "I Puritani" und die erste Norina in Donizettis "Don Pasquale".
Mit diesem Rollenfach, aber auch mit Mozart und frühem Verdi ging sie später nach London und feierte ähnliche Triumphe. Sogar die Strapazen einer Nordamerika-Tournee hat Giulia Grisi auf sich genommen.
Die größte Sängerin aller Zeiten?
In den Opern-Nachschlagewerken wird sie zu den größten Sängerinnen nicht nur ihrer Epoche, also vor allem der 1830er und 40er Jahre, sondern "aller Zeiten" gezählt - was sie den Berichten von Ohrenzeugen und der für sie komponierten Musik nach tatsächlich gewesen sein muss. Hätte ihr sonst Vincenzo Bellini die Adalgisa in "Norma" auf die nach Mezzosopran-Anfängen immer "sopraniger" gewordenen Stimmbänder komponiert?
Aber Bellini begeisterte sich genauso für Giulia Grisis ältere Schwester Giuditta, die mit 25 den Romeo in der Uraufführung von "I Capuleti e i Montecchi" aus der Taufe hob. Gioachino Rossini engagierte sie nach Paris, wo Giuditta kurze Zeit noch an der Seite von Giulia Grisi Erfolge feiern konnte, ehe sie - bald nach der Heirat mit einem italienischen Adeligen - im Alter von nur 35 Jahren starb.
Maria Malibran und Pauline Viardot-Carcia
Der frühe Tod - ein "romantisches" Sängerinnenschicksal? Auch die romantische Operndiva par excellence, Maria Malibran, wurde noch nicht 28-jährig nach dramatischem Sturz vom Pferd dahingerafft - nachfolgende Legendenbildung garantiert. Exzessiv wie ihr Leben war ihr Umgang mit der von ihr und für sie komponierten Musik.
Für sie schrieben - wiederum - Bellini und Donizetti, aber auch Rossini und Meyerbeer, Hummel und Mendelssohn. Zum 200. Geburtstag von Maria Malibran, die von der Stimmsubstanz ein Mezzosopran mit hinzustudiertem Sopran-Spitzenregister war, bemüht sich zur Zeit Cecilia Bartoli mit CD und Konzerttournee um eine Widerbelebung von Malibrans musikalischer Verzierungskunst und ihres hochindividuellen Konzert- und Opernrepertoires.
Exzess und Vielseitigkeit
Als Persönlichkeit und von der Biographie her vielleicht noch interessanter ist allerdings Maria Malibrans Schwester Pauline Viardot-Garcia, die auch nach ihrer Heirat den elterlichen, auf die spanische Sängerfamilie verweisenden Namen Garcia beibehalten hat. So wie Maria Malibran wurde Pauline Viardot vom Vater, dem berühmten Tenor und Gesangslehrer Manuel Garcia senior, musikalisch gedrillt, wollte sich aber nicht mit dem Singen bescheiden.
Sie studierte Klavier bei Franz Liszt, Komposition bei Anton Reicha, sie führte in Paris einen Salon - das alles neben der Mezzosopran-Karriere, die sie auch zur Uraufführungsinterpretin späterer Gounod- und Meyerbeer-Opern machte. Eigens für Pauline Viardot-Garcia bearbeitete Hector Berlioz Glucks "Orphée et Euridice", Camille Saint-Saens widmete ihr - vielsagend - die Partitur von "Samson et Dalila".
Wagner als Tristan
Nach ihrem Rückzug ins Privatleben übersiedelte Pauline Viardot nach Baden-Baden, wo sie Künstlerinnen und Künstler aller Richtungen um sich scharte, sich von Alfred de Musset, George Sand und Fréderic Chopin anhimmeln und von Iwan Turgenjew Operntexte dichten ließ.
1860 erklang in ihrem Haus der zweite Aufzug von Richard Wagners "Tristan und Isolde", mit ihr als Isolde und Wagner am Klavier und als Tristan. Was für ein Jammer, dass es damals noch keine Mikrofone gegeben hat!