Ein Konstrukt
Paul Watzlawick
Der Villacher und Wahlamerikaner Paul Watzlawick zählt zu den zentralen Denkern des Konstruktivismus. Spätestens mit der "Anleitung zum Unglücklichsein" war er einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
8. April 2017, 21:58
"Wusstest Du eigentlich, dass Paul Watzlawick mein Onkel ist?", fragt mich meine Freundin Andrea, mit der ich in Klagenfurt in den 1980er Jahren die Schulbank gedrückt habe, und die sich inzwischen auch dem Journalismus verschrieben hat. Nein, wusste ich nicht.
Wenige Wochen später, die Nachricht vom Tod Paul Watzlawicks im fernen Kalifornien. Diesseits des Atlantiks flackert das Interesse am Wunder-Watzlawick auf. Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
Wir konstruieren sie uns täglich selbst aufs Neue, wissen wir von Watzlawick. Des Therapeuten und Autors "Anleitung zum Unglücklichsein" ist ein phänomenaler Sachbuch-Bestseller mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren. Watzlawicks flottester Spruch "Man kann nicht nicht kommunzieren" tönt nach wie vor vollmundig durch die Hörsäle. Ja, und erst die Geschichte mit dem Nachbarn und dem Hammer - hinreißend!
Wer war Watzlawick?
Woher stammt seine tiefschürfende Faszination für die Art und Weise der alltäglichen Interaktion, die ihn zu einer Gallionsfigur der "Schule von Palo Alto" gemacht hat? Fragen, die an die Wurzeln des Psychologen, Philosophen, Familientherapeuten und Schriftstellers führen: nach Villach, das "geistige und kulturelle Zentrum Mitteleuropas", wie Watzlawick die Stadt gerne nannte, in der er am 25. Juli 1921 zur Welt kam.
In Villach lebt Maria Wunsch, Paul Watzlawicks einzige Schwester. Sie berichtet vom Vater, der zunächst Bankdirektor war und dann ein Busunternehmen kaufte und führte. Paul Watzlawick war offensichtlich vor allem seiner Mutter liebevoll verbunden. Die "lustige" Emy Watzlawick, wie sie noch bei allen Verwandten in bester Erinnerung weiterlebt, stammte von jenseits der Grenze. Watzlawicks Mutter sprach italienisch - und sie schrieb Gedichte.
Biografische Lücke
Sprachen sind Watzlawicks Stärke. "Der Pauli hat die Kriegszeit so wunderbar ausgenützt, er hat Englisch gelernt, und es bis zum Dolmetscher gebracht." Maria Wunsch versteht es, der wohl dunkelsten Zeit im Leben Watzlawicks positive Aspekte abzuringen. Paul Watzlawick selbst breitete über seine Tätigkeit und Erlebnisse während des Zweiten Weltkrieges den Mantel des Schweigens.
Seine biografischen Selbstzeugnisse heben erst wieder mit Schilderungen an, wie er nach dem Krieg im hitzig zwischen den Nationen umstrittenen Triest für die "Criminal Investigation Division" arbeitete, sich in Verhörtechnik übte, und darin, den Untiefen der menschlichen Seele auf den Grund zu gehen.
In Venedig studierte Watzlawick Sprachen. Ein Inserat in der Zeitung brachte ihn auf die Idee, in Zürich das Diplom als Psychoanalytiker am C.-G.-Jung-Institut zu erwerben. Solchermaßen geschult wurde Watzlawick zum Globetrotter. Indien, San Salvador, Philadelphia - und schließlich: Welcome to the Hotel California! In Palo Alto ist das Mental Research Institute die geistige und institutionelle Heimat des Villachers, bis zu seinem Tod am 31. März 2007.
Was aber wurde aus Watzlawicks Nichte, Andrea Köhler-Ludescher? Sie ist Juristin, Journalistin, Konstruktivistin - und Weltreisende. Das liegt wohl in der Familie.
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