Die Krise des Journalismus
Zwischen Gratiskultur und Paid Content
Das Internet und seine Gratiskultur haben Zeitungsverlage in Schwierigkeiten gebracht. Leser und Auflagen schwinden und damit auch die Anzeigenkunden. Wie kann man Qualitätsjournalismus in Zukunft finanzieren? Wären User bereit, für Netzcontent zu zahlen?
8. April 2017, 21:58
Gehören Sie zu den Menschen, die noch jeden Morgen die abonnierte Tageszeitung vom Fußabstreifer pflücken oder besorgen Sie sich ihre tägliche Nachrichtenportion längst im Netz? Rund um den Globus brechen derzeit Zeitungsverlagen die Leser und Leserinnen weg. Auf Papier wohlgemerkt. Denn im Netz ziehen Nachrichtenportale, Blogs und Internetzeitungen große Aufmerksamkeit auf sich.
Wegbrechende Auflagen und Anzeigenerlöse können Verlage jedoch nur zu einem geringen Teil durch Online-Werbung kompensieren. In der Verlags- und Zeitungsbranche rund um den Globus herrscht deshalb Katzenjammer. "Paid Content", also Geld für digitale Inhalte zu verlangen, scheint vielen der einzige Weg in Zukunft Journalismus zu finanzieren.
Zur Kasse bitte
Derzeit ist Medienmogul Rupert Murdoch ein beliebter Gast auf Medienfachtagen und in Fernsehinterviews. Der 78-jährige Australier ist Besitzer von "News Corporation", einem der größten Medienimperien weltweit. Dazu gehören die englische Tageszeitung "Times" genauso wie das Boulevardblatt "New York Post" und der konservative amerikanische TV-Sender FOX News.
Rupert Murdoch sorgte in den letzten Monaten für Schlagzeilen in der ziemlich angeschlagenen Medienbranche. Die Zeit, in der man Nachrichten im Web gratis konsumieren konnte, sei vorbei, verkündete er kürzlich vollmundig. Bis zum nächsten Sommer will er für die meisten Webportale seiner rund 100 Tageszeitungen ein Bezahlmodell einführen.
Warum Zeitungsleser und -leserinnen im Netz in Zukunft zur Kasse gebeten werden sollen, erklärt er im Interview mit seinem australischen Fernsehsender SkyNews Australia folgendermaßen: "Die Leute hätten die Inhalte nicht die ganze Zeit gratis haben sollen. Da haben wir ein bisschen geschlafen. Es kostet uns sehr viel Geld jeden Tag, gute Inhalte zu bringen. Wenn die Leser bereit sind, für gedruckte Zeitungen zu zahlen, dann sollen sie auch zahlen, wenn sie die Nachrichten woanders lesen."
Rettet Paid Content den Journalismus?
Nicht nur Rupert Murdoch und seiner News Corp. steht das Wasser bis zum Hals, sondern Zeitungsverlagen und Medienhäuser rund um den Globus. Leser und Auflagen schwinden und damit auch die Anzeigenkunden, mit denen sich Verlagshäuser traditionell finanzierten. Journalisten und Journalistinnen werden reihenweise entlassen und so manche Tageszeitung stellte in den letzten Monaten ihren Betrieb endgültig ein.
Besonders schlimm ist die Lage in den USA. Wenn mit gedruckter Tinte auf Papier immer weniger Geld zu machen ist, wenn die Leser und Leserinnen ins Netz abwandern, dann könne man doch direkt dort kassieren, glauben auch immer mehr Verleger diesseits des großen Teichs. Rupert Murdoch jedenfalls löste mit seiner Ansage eine Debatte aus. Können Paid Content Modelle, also bare Münze für digitale Inhalte, den Journalismus retten und in Zukunft qualitativen, das heißt in den meisten Fällen Recherche-intensiven Journalismus finanzieren?
Bisherige Versuche gescheitert
"Grundsätzlich ist der Gedanke, für Onlinejournalismus Geld zu verlangen, nicht neu", sagt Heinz Wittenbrink. Er lehrt Soziale Medien und Onlinejournalismus an der FH Joanneum in Graz. "In der Vergangenheit haben Zeitungen immer wieder versucht, auf ihren Webportalen ein funktionierendes Paid Content Modell einzuführen und sind meist daran gescheitert."
So zum Beispiel die "New York Times", die den kostenpflichtigen Teil "Times Select" aufgrund mangelnden Zuspruchs nach zwei Jahren wieder einstellen musste. Den Grund für das Scheitern sieht Heinz Wittenbrink darin, dass viele traditionelle Zeitungsmacher einfach versuchen, das Offline-Produkt Zeitung in die Online-Welt zu übertragen.
Chancen für Paid Content sieht der Onlinejournalismusexperte Wittenbrink dennoch. Nämlich dann, wenn dafür neue Vertriebsformen entwickelt werden. Ansätze in diese Richtung gibt es schon. Vor ein paar Tagen meldete die "New York Times", dass mehrere amerikanische Verlage gemeinsam eine Art "iTunes für Magazine" einführen wollen.
Über den Online-Kiosk sollen Titel wie "Time", "Vanity Fair" oder "Wired" gedruckt oder in digitaler Form bezogen werden können. Weiters will der Onlineshop Standards für das Betrachten von Zeitschrifteninhalten auf Lesegeräten für elektronische Bücher, Multimedia-Handys wie das iPhone und andere Plattformen entwickeln.
Hör-Tipp
Matrix, Sonntag, 6. Dezember 2009, 22:30 Uhr
Link
Heinz Witenbrinks Blog