Peter Henisch über Sinnfragen
Autor mit politischem Anspruch
"Im Unterschied zu den meisten Autorenkollegen meiner Generation habe ich die Lektüre der Bibel nie als reaktionär empfunden", sagt Peter Henisch. "Die Sinnfrage, die Erlösung - das interessiert die Religion und die Literatur."
8. April 2017, 21:58
Schreckliche Herzensenge, die für normal gehalten wird
"Also, wenn eine Fußballmannschaft in der 91. Minute das Ausgleichstor schießt, bezeichnet man das gern als Erlösung. Aber so verniedlichen sollte man diesen Begriff nicht", meint Peter Henisch. Mit dem Thema der Erlösung beschäftigt er sich auch in seinem neuen Roman "Der verirrte Messias", der im Deuticke Verlag erschienen ist. "Das ist ein Buch, in dem sich jemand für den wiedergekehrten Messias hält. Wenn ich aber wirklich der wiedergekehrte Jesus bin, so denkt er, dann hab ich damit ein Problem. Denn genau mit dieser Wiederkehr ist ja der Beginn der Apokalypse verbunden." Allerdings fürchtet der vermeintliche Messias, dass die heutigen Menschen die Apokalypse auch ganz von selbst auslösen könnten.
Wahrnehmen und interpretieren
Seit mehr als 30 Jahren ist der 66-jährige Wiener Peter Henisch eine fixe Größe in der österreichischen Literaturszene. "Ich verstehe mich als Autor mit politischem Anspruch", sagt Henisch. "Schreiben ist Wahrnehmen und Interpretieren der Umgebung, dabei kann ich nicht an den politischen Zuständen vorbei gehen. Literatur sensibilisiert, ist eine Form des Nach- und Vordenkens". Bei aller Zeitkritik sind seine Werke durchaus humorvoll. "Ironie und Humor sind ein Überlebensmittel, das bei deutschsprachigen Autoren eher selten ist", so der Autor.
Geboren wurde Henisch am 27. August 1943 in Wien. Nach der Matura studierte er Germanistik, Philosophie, Geschichte und Psychologie. 1965/66 volontierte er in der Lokal-Redaktion der "Arbeiter Zeitung". Seine Dissertation über Ernst Bloch beendete er nicht, sondern gründete gemeinsam mit Helmut Zenker 1969 die Literaturzeitschrift "Wespennest". Ab 1972 war er Literaturredakteur der Zeitschrift des Theaters der Jugend, "Neue Wege". Auch Musik spielte bereits in jungen Jahren eine große Rolle in seinem Leben: Er war Sänger und Texter der Gruppe "Wiener Fleisch und Blut".
Im Vorstadt-Milieu
Als "freischwebender Schriftsteller" lebt Peter Henisch in Wien und in der Toskana. In den letzten Jahren war er gleich zweimal für den deutschen Buchpreis nominiert. Seinen ersten großen Erfolg landete er mit dem autobiografischen Roman "Die kleine Figur meines Vaters", dem ein Interview mit seinem Vater, einem Pressefotografen, zugrunde liegt. Im Frühling 2003 erschien das Buch noch einmal in erweiterter Auflage, ergänzt um wieder aufgetauchte Fotos des Kriegsberichterstatters Walter Henisch. Auch den frühen Prosaband "Vom Baronkarl. Peripheriegeschichten" (1972) nahm sich der Autor noch einmal in späteren Jahren vor.
Oft siedelte Peter Henisch seine Bücher im Wiener Vorstadt-Milieu an. Im neuen Roman "Der verirrte Messias" geht es um nichts weniger als die ganze Welt. "Wenn davon die Rede ist, dass die Welt angeblich vor 2.000 Jahren erlöst wurde, und wenn ich mir den heutigen Zustand der Welt anschaue, dann hab ich den Eindruck, dass da etwas schief gelaufen ist. 'Erlöse uns vom Bösen' heißt es im Vaterunser. Aber was ist das Übel, was ist das Böse?" Darauf hat Peter Henisch eine klare Antwort: die Abwesenheit von Liebe, von Empathie, von Einfühlungsgabe. "Ich bin doch nicht blöd, Mann! Geiz ist geil! Das sind die Werte, die in einer völlig aus den Fugen geratenen Welt vermittelt werden."
Service
Peter Henisch, "Der verirrte Messias", Deuticke Verlag
Peter Henisch, "Die schwangere Madonna", Residenz Verlag
Peter Henisch