Gezähmt durch den Taktstock

Pierre Boulez im Porträt

Die Opernhäuser will der französische Komponist und Dirigent Pierre Boulez nicht mehr stürmen. Auch die Zeiten, in denen der Musikwissenschaftler Aufführungen konservativer Komponisten störte, sind vorbei. Fracks verabscheut der Tonkünstler.

Die Opernhäuser will der französische Komponist und Dirigent Pierre Boulez nicht mehr stürmen. Auch die Zeiten, in denen der Musikwissenschaftler Aufführungen konservativer Komponisten störte, sind vorbei. Fracks verabscheut der Tonkünstler, der als einer der bedeutendsten Vertreter der musikalischen Avantgarde gilt, allerdings noch immer.

Boulez, der seit mehr als einem halben Jahrhundert die Musikwelt aufmischt und aufwühlt, hat sich heute von dem technokratischen Kompositionsschaffen seiner Anfänge entfernt. Seine seriell organisierte Musik klingt befreiter, poetischer. Auch wenn seine wilden Jahre vorbei sind, bleibt Boulez, der am Freitag, 26. März 2010 85 Jahre alt wird, ein Abenteurer der Musik, der stets auf der Suche nach Neuem ist.

Auf keine einzelne Funktion zu reduzieren

"Ich suche und suche. Manchmal finde ich nichts, aber die Suche muss weiter gehen. Die Alternative wäre tödliche Routine", sagt Boulez in dem Film "Auf der Suche nach der Zukunft" von Barrie Gavin. Und so hat sich der Musikwissenschaftler nie nur auf eine Funktion oder eine Richtung festlegen lassen und tritt abwechselnd als Komponist, Dirigent, Kulturmanager, Musikphilosoph, Lehrer und Gründer des Pariser Forschungsinstituts für Akustik/Musik IRCAM in Erscheinung.

Boulez wurde in Montbrison im Loire-Tal geboren. Eigentlich wollte er Mathematik und technische Wissenschaften studieren. Und so ist seine Musik gar nicht so weit von Logik und Rationalität entfernt. Denn der Komponist ist einer der hervorragendsten Vertreter der seriellen Musik, einer Strömung der Neuen Musik, bei der alle Eigenschaften der Musik auf Zahlen- oder Proportionsreihen aufgebaut sind. Möglichst große Klarheit und strenge Kompositionsregeln liegen dieser Musik zugrunde, um Redundanz und Unbestimmtheiten zu vermeiden.

Rigide Kompositionsweise in den 1950er Jahren

In den 1950er Jahren gehörte Boulez zu einem der rigidesten Musikkonstrukteure. Wegen seines Radikalismus wurde er auch "Robespierre" genannt in Anspielung auf den radikalen Republikaner, der mit seiner erbarmungslosen Hetze gegen vermeintliche Gegner der Revolution den Beginn der Terrorherrschaft einläutete.

Geläutert hat ihn schließlich der Taktstock. Am Dirigentenpult sei ihm die Absurdität des seriellen Komponierens bewusst geworden. Es sei widersinnig, neben Tonhöhe, Tondauer, Tonlage auch noch die Dynamik seriell festlegen zu wollen. "Die Stärke, in der ein Ton erklingt, ist eine Kategorie der Wahrnehmung und lässt sich nicht in einer Reihe fixieren", erklärte er.

Präzise Orchestrierung

Über die Kunst seiner Interpretationen und präzisen Orchestrierungen von Opern und Konzerten sind sich alle Kritiker. Boulez als Dirigent ist ein Maestro. Große Erfolge feierten in Bayreuth seine "Parsifal" und "Ring"-Dirigate.

Dozent in Darmstadt, Lehrer in Basel und an der Harvard University: Für den mehrfachen Preisträger ist Pädagogik ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis von Musik. Denn Musik sei kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, wie er sagt.