Ein Haute Couturier in Hollywood

Tom Fords Regiedebüt "A Single Man"

Tom Ford, ehemaliger Gucci-Chefdesigner, schafft mit dem Drama "A Single Man" den Sprung vom Schneidersessel auf den Regie-Stuhl. Der Streifen war für einige der wichtigsten Filmpreise, darunter auch den Oscar, nominiert und sammelte Kritikerlorbeeren ein.

Zwei Männer liegen am schwarz-weißen Strand. Hinter ihnen erheben sich die Sanddünen, vor ihnen rauscht der Ozean. Ein Erinnerungsbild aus Tom Fords "A Single Man", eingefangen in der glatten Ästhetik, die man mit Parfümwerbungen verbindet. Ein Erinnerungsbild, weil sich College-Professor George Falconer in die Vergangenheit verliebt hat. In der Gegenwart ist sein langjähriger Partner Jim nicht mehr am Leben - ein Autounfall vor acht Monaten hat das Paar auseinander gerissen.

Georges Trauer gießt sich in Sehnsuchtsbilder: Von Nachmittagen am Strand und gemeinsamen Abenden auf dem Sofa ihres Hauses in Los Angeles träumt er.

Geniale Sequenz

Immer wieder blitzt die Erinnerung an jenen Anruf auf, der George Falconers Leben verändert hat. Es braucht nur diese eine Sequenz, um Tom Fords Talent als Regisseur zu erkennen. Der Zuschauer befindet sich noch keine Viertelstunde im Film, ist den Figuren noch nicht nahe, mit der Geschichte noch nicht vertraut. Und dann hält die Kamera ohne Schnitt auf Colin Firths Gesicht. Ganze Landschaften sind darauf plötzlich zu erkennen. Aus gespieltem Unglauben wird Schock, wird Verzweiflung.

Erst später kommen die Tränen. All das, was man einem Regie führenden Modemenschen gerne vorgeworfen hätte - Oberflächlichkeit, Wirklichkeitsferne, Kühle - all das löst sich in den wenigen Minuten dieser Sequenz auf. Sentimentalität spielt dabei keine Rolle, dafür kennt Tom Ford die Buchvorlage zu gut. Vor über zwanzig Jahren liest er zum ersten Mal von diesem George Falconer: ein homosexueller Professor im Amerika der 1960er Jahre, der verzweifelt am Tod seines Partners und an den Lügen der Welt um ihn herum.

Die Zerbrechlichkeit des Lebens

Christopher Isherwoods Roman ist ein Klassiker der homosexuellen Literatur: 1964, zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung, lebt der Autor bereits seit langem in einer Beziehung mit einem 30 Jahre jüngeren Mann. Seine Erzählung ist angeleitet vom Motiv der Angst: George fürchtet sich vor dem Alleinsein, die Welt fürchtet sich vor einem Atomkrieg. Hinter den Bildern von getrimmten Rasen und hübschen Reihenhäusern wuchert die Unsicherheit. Erst ein paar Monate sind seit der Kubakrise vergangen, die Menschen wissen, wie trügerisch der pastellfarbene Wohlstand ist, wie schnell sich alles ändern kann.

Es geht darum durchzuhalten, den längeren Atem zu haben, sich nicht resigniert eine Kugel in den Kopf zu jagen. An einem einzigen Tag wird George Falconer lernen, wieder zu leben. Er isst mit seiner besten Freundin Charley, gespielt von einer großartigen Julianne Moore, zu Abend, lässt sich von seinem Studenten Kenny verführen. Der Regisseur bettet ihn dafür in Bilder voll zerbrechlicher Schönheit, eingefangen vom erst 28-jährigen Katalanen Eduard Grau. Die flächige Werbeästhetik der 1950er und 1960er Jahre wird dafür ebenso zitiert wie schwule Kunst von Tom of Finland und Pierre et Gilles.

"A Single Man" ist aber kein Popfilm, sondern klassisch in seiner Ernsthaftigkeit und seinem Verzicht auf jegliche ironische Brechung. Tom Ford will der Vorlage Genüge tun und inszeniert Isherwoods Roman als ganz großes Drama, unterlegt von der großartigen Filmmusik der Komponisten Abel Korzeniowski und Umebayashi Shigeru.

Mit Bravour bestanden

Der 48-jährige Tom Ford hat seine Feuertaufe mit Bravour bestanden. Viele Beobachter innerhalb der Industrie haben dem Regiedebüt des Modegurus skeptisch entgegen geblickt - und müssen jetzt klein beigeben. "A Single Man" ist kein perfekter Film, aber er verbindet Stilwillen und erzählerische Substanz mit einer Leichtigkeit, wie man sie sonst nur von den ganz großen Regisseuren kennt.

Service

A Single Man