Zwischen "hightech"und "down to earth"

Forschung in Afrika

Selbst beim Ausfall aller anderen Nahrungspflanzen liefern Bäume wie Baobabs, die Afrikanischen Affenbrotbäume, oder Tamarinden immer noch Nahrung. Im westafrikanischen Sahel wird das große Potential dieser, bislang nur unzureichend genutzten, Baumriesen nun erstmals erforscht.

An der Ausfallstraße von Thiès, der zweitgrößten senegalesischen Stadt, liegt CERAAS, das "Centre d’Etude Regional pour l’Amelioration de l’Adaptation a la Secheresse". Es ist das einzige Forschungszentrum für 22 west- und zentralafrikanische Länder, in dem an der besseren Anpassung von Nutzpflanzen an die Klimaerwärmung gearbeitet wird.

Im "großen Glashaus" können Temperatur und Wasserzufuhr gedrosselt oder erhöht werden, um die Reaktion der Setzlinge auf verschiedene Stressfaktoren zu testen. Auf dem weiträumigen, ummauerten Grundstück liegen auch Versuchsfelder, verstreute, mehr oder weniger heruntergekommene Gebäude, sowie ein biochemisches und molekularbiologische Hightech-Labor, in dem die Vorgänge bei der Pflanzentwicklung entschlüsselt werden.

Molekularbiologie trotz Stromausfall

Gegen die ständigen Stromausfälle ist man durch eigene Generatoren gewappnet, doch die Auswertung der Daten an den Computern kommt oft ins Stocken: Das Netz ist heillos überlastet, ständig brechen die Verbindungen zusammen. Oft dauert es Stunden, um ein kurzes E-Mail zu verschicken, klagt der Pflanzenbiologe Sali Bourou.

Er hat in Kamerun sein Studium abgeschlossen, doch weil es dort überhaupt keine Infrastruktur für seine Forschungen gibt, ist er vor zwei Jahren in den Senegal gekommen. Hier arbeitet er an der Entwicklung neuer, adaptierten Vermehrungs- und Kultivierungssysteme, denn solche sind bislang unbekannt. Nur wenige Bauern pflanzen Bäume, die meisten Baobabs und Tamarinden wachsen wild.

Affenbrotbäume und Tamarinde

Die kugelförmigen Früchte der Affenbrotbäume sind reich an Kalzium, Vitamin C und B, sie werden frisch und getrocknet gegessen. Junge Blätter werden wie Spinat zubereitet, oder getrocknet, pulverisiert und zu Saucen verkocht. Die alten, zähen Blätter verfüttert man an das Vieh, sie werden aber auch als Medizin genutzt, etwa bei Durchfall oder Magenkrankheiten.

Ebenso werden die Blätter der Tamarinde verwendet. Aus ihren säuerlichen Früchten presst man Saft und aus den Blüten macht man Saucen. Tamarindenholz ist überdies hart und ist deshalb als Feuerholz begehrt, ihre Äste finden beim Hausbau Verwendung. Das weiche Baobab-Holz taugt dafür nicht, aber aus den zähen Rindenfasern dreht man Stricke, um das Vieh anzubinden oder im Busch gesammeltes Feuerholz zusammenzuhalten.

Solche auf vielfältige Weise malträtierten Baobabs sieht man überall: Entrindete Stämme, die mit wulstigen Narben überzogen sind, und Kronen, die kein einziges Blatt mehr haben. Doch nackt haben sie kaum eine Überlebenschance.

“Die Bäume leiden permanent unter starkem Stress, das halten sie nicht lange aus, sie gehen ein“, weiß Sali Bourou. "Außerdem werden die Niederschläge immer weniger, das kommt noch verschärfend hinzu. Aber gerade weil diese beiden Baumarten für die Menschen so wichtig sind, müssen wir intervenieren, damit sie nicht ganz verschwinden.“

Eine Intervention setzt allerdings voraus, dass man mehr über die Lebensfunktionen dieser Bäume weiß. Der Pflanzenbiologe aus Kamerun forscht daher nicht nur im Labor, sondern auch im Feld, um mehr über die Eigenschaften herauszufinden, die in Wechselwirkung zur Umwelt stehen. Zu diesem Zweck sucht einige Exemplare regelmäßig auf - falls es die Umstände erlauben.

Der hürdenreiche Weg ins Feld

Feldforschungen in Afrika sind mühselige Unternehmen – das erfahren wir, als wir mit Sali Bourou zu seinen Forschungsobjekten im Osten des Senegal fahren. Während der Trockenzeit ist die schmale Straße nur holprig und staubig, in der Regenzeit ist sie aber regelmäßig überflutet, erzählt der Forscher, der dann abwarten muss, bis sie wieder passierbar wird.

Doch das ist nicht die einzige Hürde auf dem Weg zum Ziel. Die Landstraße endet an einem flachen, aber breiten Wasserlauf. Die alte Fähre zwischen den Ufern hat zwar theoretisch einen fixen Fahrplan, aber in der Praxis ist darauf kein Verlass. Entweder ist der Wasserstand zu niedrig, die Wellen zu hoch, der Motor defekt, oder der Andrang zu groß. Nach stundenlanger Wartezeit haben wir dennoch Glück: unser Fahrer hat auf dem rostigen Fährschiff noch einen Platz für den Geländewagen ergattert. Die Fahrzeuge hinter uns, müssen hoffen, dass der Pendelverkehr nach der langen Mittagspause wieder aufgenommen wird.

Unterschiedliche Eigenschaften

Wir fahren weiter ins sogenannte "Erdnussbecken", dessen graubraune Monotonie nur selten durch frisches Grün unterbrochen wird. Bäume sind hier inzwischen rar, und so hat Sali Bourou fast 1 ½ Jahre gebraucht, um genügend Exemplare mit annähernd gleichem Alter zu finden.

"Die hiesigen Baobabs und Tamarinden haben andere ökophysiologische Eigenschaften entwickelt, um sich der Umwelt anzupassen, als die 50 Exemplare, die ich in der noch trockeneren Sahelzone untersuche," erklärt der Forscher. Hier wie dort misst er den Gasaustausch zwischen Blättern und Atmosphäre und die Bodenfeuchtigkeit.

Diese Messungen müssen rund um die Uhr vorgenommen werden, deshalb verbringt er die Nächte lieber im geparkten Auto unter dem Baum als im zwei Kilometer entfernten Dorf. Seine Bewohner arbeiten - nach anfänglicher Skepsis - nun an der Erforschung ihrer Bäume mit - wenn die Arbeitszeit nicht mit der Aktivität der Baumgeister kollidiert.

"Die Leute hier glauben, dass Tamarinden von bösen Geistern verwohnt werden, was sie aber nicht hindert, die Früchte zu essen“, erzählt Sali Bourou. "Trotzdem vermeiden sie es, sich um die Mittagszeit und auch spät in der Nacht unter einer Tamarinde aufzuhalten, das ist ihnen zu gefährlich, weil dann die Geister von den Bäumen heruntersteigen."

Auch um die Baobas, deren unförmige, knorrige Äste an ein intensiv entwickeltes Wurzelsystem erinnern, ranken sich viele Legenden. So glaubt man z.B., dass sie vom Teufel oder auch von einer Hyäne erschaffen wurden. Gleichzeitig sind die eigenartig aussehenden Bäume auch alte Symbole für Fruchtbarkeit.

Die Serér haben früher unter ihnen z.B. Regen-Zeremonien abgehalten, andere Völker opfern darunter noch immer Eier, Hirse oder Kolanüsse, um das Land fruchtbar zu erhalten.

Nicht nur Geister brauchen Nahrung

Nach einem Tag im staubtrockenen Feld, macht sich bei allen Expeditionsteilnehmern nicht nur Durst, sondern auch Hunger bemerkbar. Auf dem Rückweg zum Forschungszentrum in Thiès machen wir daher einen Abstecher zum Fischmarkt in Mbour, dem zweitgrößten des Landes.

"Hier kostet Fisch viel weniger als im weiter vom Meer entfernten Thies," weiß der Pflanzenbiologe aus Kamerun. Er und der senegalesische Fahrer decken sich daher mit einigen Kilo fangfrischen Fisch ein - einem Grundnahrungsmittel im Senegal.