Salz aus der Wüste

Die Reise nach Timbuktu

Nicht oft läuft eine Recherche in Afrika "wie geschmiert". Bisweilen sieht das Ergebnis nach erheblichem Aufwand sogar richtig dürftig aus. Doch andererseits gilt hier mehr als sonst wo: Der Weg ist das Ziel.

Am ansonsten von Unrat übersäten Flussufer in Mopti lagern Salzplatten, die aussehen wie Marmor. Sie stammen aus Taoudenni in der Sahara, werden mit Karawanen nach Timbuktu gebracht, von dort mit Pinassen nach Mopti verschifft und hier verkauft.

Für Passagierschiffe taugt der Wasserstand des Niger aber nur von August bis Dezember, dann bleibt nach Timbuktu nur noch der Landweg. Er wird von heruntergekommenen Geländewagen bewältigt, die erst dann abfahren, wenn sie überfüllt sind - mit der Folge, dass sie die letzte Fähre über den Niger in der Nähe von Timbuktu in aller Regel nicht mehr erreichen und man im Sand am Flussufer übernachten muss.

Die Alternative ist, sich ein Fahrzeug zu mieten. Das einzige, das sich für uns auftreiben lässt, ist ein mindestens 20 Jahre alter "Landcruiser".

Die erste Panne

Die Straße von Mopti nach Douentza ist teilweise neu, zum Teil aber erst in Bau, die staubige Umleitung gibt einen guten Vorgeschmack auf die Piste, die uns ab Douentza erwartet. Kurz zuvor aber noch eine Reifenpanne. Kein Problem: Unser Fahrer Mamadou montiert den Reservereifen und lässt den kaputten in Douentza reparieren - allerdings bei laufendem Motor, da die Zündung nicht so recht funktioniert.

Die nächste Panne

Von Douentza führt eine Rumpelpiste 200 Kilometer durch eine unsäglich öde, flache Landschaft zum Niger, wo man mit der Fähre übersetzen muss und nach weiteren 20 Kilometer Timbuktu erreicht. Doch unser Reservereifen gibt schon viel früher den Geist auf, er hat nicht einmal 50 Kilometer gehalten.

Könnte eine spannende Reise werden durch diese menschenleere Gegend ohne Verkehr und von nun an ohne Reservereifen. Mamadou freilich meint seelenruhig, in etwa 50 Kilometer gebe es ein Dorf, da könne man den Reifen eventuell reparieren lassen. Und wir schaffen es wirklich bis Bambara.

Der Ort besteht nur aus einem Armeeposten, wo die paar Fahrzeuge, die hier durchkommen, kontrolliert werden, und einigen trostlosen, armseligen Bauten aus Lehmziegeln. Und einem Schuppen, wo unser Reifen tatsächlich repariert wird. Inzwischen wirbelt der Wind den überreichlich vorhandenen Staub auf und einige abgerissene Buben betteln uns an ohne Nachdruck.

Kaum Leben, nur ein toter Esel

Dann folgt ein wilder Ritt durch eine wüstenähnliche Landschaft, in der nur extrem widerstandsfähige und genügsame Gewächse überleben können. Irgendwo liegt der schon weitgehend verweste Kadaver eines Esels mitten auf der Piste. Niemand hat sich in den Monaten, seit er hier verendet ist, die Mühe gemacht, ihn beiseite zu schaffen.

Wer hier unterwegs ist, hat andere Sorgen. Die Piste ist streckenweise in so schlechtem Zustand, dass Mamadou sie lieber verlässt und anderen Spuren folgt, die durch den Sand führen. Spätestens jetzt ist klar, warum man für die Fahrt nach Timbuktu unbedingt einen Geländewagen braucht.

Der "Harmattan", der heiße Wüstenwind, bläst immer wieder Staubwolken bei den offenen Fenstern herein. Es hat 40 Grad im Schatten, doch in der Sonne vermutlich 70 Grad, und so weht einen die Luft an, als käme sie aus einem Backofen. Als wir nach stundenlangem Gepolter auf der Waschbrettpiste (und immer wieder auch daneben) endlich das Ufer des Niger erreichen, sind wir "paniert" und "geröstet" zugleich.

Der breite Fluss mit seinen Wassermassen hat in dieser Wüstenumgebung etwas Unwirkliches. Er strömt ruhig und gleichmäßig vorbei, doch von einer Fähre ist nichts in Sicht. Es vergeht viel Zeit, bis sie um eine Biegung des Flusses kommt.

Überlastete Fähre

Es wird die letzte Überfahrt für heute sein. zwölf Fahrzeuge kann sie transportieren, aber 13 haben sich angesammelt und das letzte passt nicht mehr ganz hinauf. Nun wird ausgiebig und lauthals diskutiert und nach halbstündigem Palaver rangiert: Die beiden letzten Autos fahren hinunter und in umgekehrter Reihenfolge wieder hinauf. Und siehe da: Durch den geringfügig kürzeren Radstand passt nun auch der Letzte haarscharf noch auf die Fähre. Doch von unserer Ankunft am einen Ufer bis zum Erreichen des anderen vergehen dreieinhalb Stunden.

Abgesondertes Timbuktu

Weil es auf der einsamen Strecke hierher Überfälle auf Touristen gegeben hat, steht Timbuktu seit einigen Jahren auf der "Roten Liste" der Reisewarnungen. Der Tourismus ist mittlerweile völlig zusammengebrochen. Leider sind auch die kulturellen Aktivitäten weitgehend eingestellt worden. Sogar die Musikschule, wegen der wir hergekommen sind, sei geschlossen, wird uns gesagt.

Die Salzkarawane

Einige Tuareg aus Taoudenni sind vor ein paar Tagen mit Salz aus den dortigen Minen angekommen. 50 Tage hin und 50 Tage wieder zurück sind sie durch die Wüste unterwegs, immer nur nachts wegen der unerträglichen Tagestemperaturen. Während der Reise ernähren sie sich nur von Reis und Kamelmilch.

Sie laden uns in ihre zeltähnliche Unterkunft zum Tee ein, und da wir auch in Afrika sind, um über die hiesige Handy-Nutzung zu recherchieren, fragen wir sie danach. In der Wüste würde ihnen das Handy nichts nützen, lächelt einer, da gebe es keinen Empfang. Aber das sei auch gar nicht nötig, denn sie würden sich nach den Sternen orientieren, auf die sei immer noch am meisten Verlass.

Das große Fest

Ganz umsonst sind wir dennoch nicht nach Timbuktu gekommen, denn tags darauf findet das islamische "Maouloud"-Fest statt. Musik gibt es zwar auch da keine, nur via Lautsprecher übertragene Gebete, doch allein der Anblick der Menschen, die auf dem Hauptplatz zusammenströmen, ist eine Entschädigung. Insbesondere die Frauen haben sich prächtig herausgeputzt.

In ihren Roben und mit traditionellem Schmuck behängt sehen die Frauen beeindruckend aus. Und da sie wissen, dass sie schön anzusehen sind, lassen sie sich auch nicht ungern fotografieren. Noch dazu, da wir die einzigen Fremden sind. So hat sich also die mühsame Reise nach Timbuktu für uns doch noch gelohnt.