Investmentbanker gedämpft optimistisch
"Griechen-Problem bleibt noch Jahre"
Mit Hilfspaketen seien die Märkte nur vorübergehend zu beruhigen, sagt der Investmentbanker und frühere Bank-Austria-Vorstand Willi Hemetsberger. Langfristig müsste Griechenland massiv sparen - "etwa 15 Prozent vom Bruttonationalprodukt, das ist ungefähr das 15-fache von unseren Sparpaketen", sagt der Investmentbanker im Ö1 Mittagsjournal-Gespräch.
8. April 2017, 21:58
Problem auf Jahre unlösbar
Doch Hemetsberger glaubt, dass derart große Einsparungen weder politisch noch wirtschaftlich durchsetzbar sein würden. Daher rechnet er damit, dass die aktuelle Diskussion wieder entstehen und sich die Krise auf die anderen südeuropäischen Länder wie Portugal und Spanien auswirken wird. "Das wird uns die nächsten paar Jahre begleiten," ist sich Hemetsberger sicher. Die aktuellen Hilfspakete sollten dazu genutzt werden, um über eine Restrukturierung der griechischen Schulden zu reden - ähnlich dem Ausgleich einer Firma.
"Das wird uns die nächsten paar Jahre begleiten"
Investmentbanker Willi Hemetsberger im Mittagsjournal-Gespräch mit
Verkaufsdruck auf den Märkten
Das Problem sei deshalb besonders gravierend, weil griechische Anleihen für Investoren wie Banken, Versicherungen und auch Zentralbanken lange als risikolos galten. Diese Investoren versuchten jetzt, diese Papiere, auch jene von Spanien und Portugal, zu verkaufen, und das erzeuge den Druck auf den Märkten.
Zerreißprobe für den Euro
Dass man Griechenland oder einen anderen Staat aus der Euro-Zone ausschließt, kann sich Hemetsberger nicht vorstellen - abgesehen davon, dass das vertraglich nicht vorgesehen sei. "Das würde auch wirtschaftlich keinen Sinn machen." Wenn Griechenland wieder die Drachme hätte, würden deren Kurs sofort fallen. Die Schulden in Euro blieben aber bestehen - "das Problem der Griechen würde noch größer." Eher würden die Bürger der stärkeren Staaten eine Tendenz entwickeln, aus dem Euro auszusteigen. Die Lösung wäre auf lange Sicht die fiskal- und wirtschaftspolitische Harmonierung der Euro-Staaten. "Sonst wird der Euro langfristig nicht gehalten werden können."
Herkulesaufgabe für Griechenland
Die Griechen geben viel zu viel Geld aus, zahlen zu wenig Steuern, arbeiten offiziell wenig, dafür umso mehr schwarz und gehen zu früh in Pension. So könnte man die Probleme Griechenlands in einem Satz zusammenfassen. Die Menschen dafür zu gewinnen, diese Probleme anzugehen, das wird für die griechische Regierung die große Herausforderung.
Mittagsjournal, 29.04.2010
Zu viele Ausgaben
Da sind zunächst die enormen Schulden. Die Griechen haben über Jahre viel mehr ausgegeben als sie eingenommen haben. Das gilt nicht nur für den Staat. Auch viele Unternehmen und Privat-Personen sind hoch verschuldet. Griechenland kauft viel im Ausland ein, hat aber wenig zu bieten, was sich am Weltmarkt verkaufen lässt. Daraus ergibt sich ein Loch von über 40 Milliarden Euro pro Jahr.
Zu viel Schwarzarbeit
Dazu fehlt es dem Staat an Einnahmen. Das liegt vor allem daran, dass die Griechen Milliarden an Steuern hinterziehen. Jeder vierte Euro wird schwarz erwirtschaftet, das ist der höchste Wert in der EU. Dem Staat entgehen so geschätzt 30 Milliarden an Steuereinnahmen pro Jahr.
Zu viel Schmiergeld
So wenig Steuern viele Griechen abliefern, so viel zahlen sie an Schmiergeld. Jede griechische Familie zahlt pro Jahr im Schnitt 1600 Euro an Schmiergeld, hat die Anti-Korruptions-Agentur Transparency International errechnet. "Fakelaki", wörtlich übersetzt kleine Briefkuverts, sind allgegenwärtig, von Arztterminen bis zu allen möglichen Leistungen von Beamten.
Zu viele Beamte
Beamte - das ist das Stichwort für das nächte massive Problem des griechischen Staates. Ungefähr jeder vierte Beschäftigte arbeitet im öffentlichen Dienst. Damit ist der Staat der bei weitem größte Arbeitgeber - und das hat seinen Preis. Die Beamten gehen überdurchschnittlich früh in Pension und bekommen hohe Pensionen. Im Schnitt bekommt ein griechischer Rentner 97 Prozent seines letzten Gehalts. Den Pensionsversicherungen droht innerhalb von fünf Jahren die Pleite.
Reform der Pensionen
Kein Wunder, dass das Pensionssystem einer der wesentlichen Punkte ist, bei dem die griechische Regierung ihr Sparpaket ansetzt. Zunächst will die Regierung das allgemeine Pensionsalter hinaufsetzen, auf 63 Jahre. Und die griechischen Rentner müssen sich darauf vorbereiten, dass ihre Pensionen auf Jahre nicht erhöht werden.
Sparkurs bei Beamten, Gehältern und Bildung
Einschnitte kommen auch auf die Beamten zu. Sie sollen auf zehn Prozent ihres Gehalts verzichten, dazu auf viele Zulagen und auf einen Teil der Überstundenzuschläge. Beim 13. und 14. Gehalt will die Regierung 30 Prozent streichen. Auch bei der Bildung will die Regierung sparen, und bei öffentlichen Bauaufträgen. Soweit die Einsparungen.
Höhere Steuern
Auf der anderen Seite stehen Steuererhöhungen. Die Mehrwertsteuer steigt von 19 auf 21 Prozent, höhere Steuern auf Tabak, Alkohol, Benzin, Strom und Luxusgüter sollen über eine Milliarde bringen. Eine weitere Milliarde will die Regierung hereinbekommen, indem sie Steuerhinterziehung bekämpft. Wie das genau gehen soll, und ob sich die Menschen in Griechenland dieses Programm gefallen lassen, das ist das große Fragezeichen.