Erinnerungen der Pop-Ikone

Marianne Faithfulls "Memories"

Marianne Faithfull hat - zusammen mit David Dalton - schon einmal, Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, eine Autobiographie herausgebracht. Weitere Erinnerungen der Pop-Ikone der Sixties sind nun unter dem Titel "Memories" herausgekommen.

Die Faithfull schreibt gleich zu Beginn ihrer Erinnerungen, dass es gefährlich sei, die Vergangenheit heraufzubeschwören. Nun, mit der Gefahr, in welcher Form auch immer, ist sie Zeit ihres Lebens lustvoll umgegangen und so hat sie sich - wie damals zusammen mit David Dalton - noch einmal hingesetzt und das alles aufgeschrieben, was in der Zwischenzeit passiert ist und auch das, was ihr damals an Träumen und Reflexionen nicht eingefallen ist.

Die Sixties bilden die Grundstimmung dieses Buches, seltsam kommt ihr die ganze vorüberziehende Popparade jetzt vor, wie eine "große kunterbunte Darstellerschar in der Daueraufführung einer Operette mit den passenden Kostümen in allen Schattierungen". Dennoch war sie für diese Welt nicht geschaffen, sie hatte Angst aufgesaugt zu werden.

Menschen und Alben

Und so erzählt sie dahin, springt zwischen den Zeiten hin und her, kommt von den Rolling Stones und Bob Dylan zu Brecht und Weill, nennt das ihre "Weimarer Zeit", die ihren Höhepunkt in der Aufnahme der Sieben Todsünden übrigens hier in Wien mit dem RSO unter Dennis Russel Davies hatte. Sie widmet sich ihren Alben, geht genauer auf die Songs ein und natürlich auch immer wieder auf die Menschen, die ihr etwas bedeutet haben.

Sie will auch einiges wieder gut machen - oder vielleicht auch abschwächen, was sie damals geschrieben hat. Sie ist ja älter und weiser geworden. Natürlich spielen ihre Eltern, der distanzierte Vater und die in ihren Leidenschaften extreme Mutter eine große Rolle, und die ganze Sacher-Masoch-Familie.

Hang zur Dekadenz

Sie hält Zwiesprache mit einem Fabelwesen, einer Schatten-Marianne, die nichts mit ihr zu tun haben soll, berichtet von Beat-Poeten, Sängerinnen und Bohemiens, aber auch von Donatella Versace, macht sich über ihren Modefetischismus lustig und über ihren starken Hang zur Dekadenz, den sie von ihrem Großonkel Leopold Sacher-Masoch ableitet. Aber über eines schreibt sie nicht, obwohl sie das Sexleben anderer Menschen fasziniert, wie sie zugibt: ihr eigenes möchte sie unbedingt privat halten.

Natürlich ist auch von ihrer Filmkarriere die Rede, hat sie doch den Teufel gespielt, Irina Palm und Maria Theresia. Randbemerkung dazu: Es ist eigenartig, dass sie immer schreibt: Maria Antoinettes Mutter, sichtlich ist außerhalb Österreichs die unglückliche Tochter berühmter als die souveräne Mutter.

Und dazwischen immer kurze Splitter über dies und das: Texte, die sie verfasst hat oder den Besuch einer Opiumhöhle, wie sie liebend gerne die Lady Macbeth unter Roman Polanski gespielt hätte.

Oder aber auch über ihre Auftritte damals und heute, ihre Unfälle, Nahtoderfahrungen und natürlich die Drogen, die vielen, vielen Bücher mit den ganz eigenartigen Titeln, die sie liest.

Und über ihren Krebs.

Ganz am Schluss zitiert sie Leonard Cohen, der meint, dass die Angst produzierenden Zellen mit dem Alter einfach verschwinden. Sie freut sich darauf.

Ich möchte ihr diese Freude nicht nehmen.