Der Starkomiker und Politaktivist Beppe Grillo

Ein Demagoge ohne Alternativen?

Man bezeichnete ihn als Michael Moore aus Genua, als den heimlichen Anführer der politischen Opposition, aber auch als einen Populisten, der Antipolitik mache, weil er ja einfach behaupte, dass die Politiker allesamt unnötig seien.

Beppe Grillo, 61, war Komiker, Kabarettist, erfolgreicher Fernsehunterhalter, bis er allzu viele bissige Bemerkungen gegen Politiker fallen ließ und praktisch Bildschirmverbot bekam. Doch seine Popularität litt darunter keinen Schaden: Spielend füllt er mit seinen Auftritten Hallen für 20.000 Zuhörer. Mit einem versteuerbaren Einkommen von 4,3 Millionen Euro zählt er zu den bestverdienenden Bürgern seines Landes. Dennoch musste er seinen Ferrari und seine Motorjacht verkaufen, als er begann, sich ökologisch zu engagieren, wollte er glaubhaft bleiben.

Er rechnete den Italienern vor, wie viele vorbestrafte Abgeordnete im Parlament sitzen, hätte aber selbst das Problem - würde er sich zur Wahl stellen - rechtskräftig verurteilt zu sein: wegen fahrlässiger Tötung, bei einem Autounfall. Er initiierte die Protest-Bewegung Vaffanculo-Day, also etwa "Leck-mich-am-Arsch-Tag", sein Webblog, in dem er die Politik kritisiert, gehörte noch letztes Jahr zu den zehn meistgelesenen der Welt.

Virus Italien?

Ich traf Beppe Grillo im Februar in Wien, er war auf Einladung der Wiener Umweltstadträtin gekommen, um hier gegen das AKW Mochovce Stimmung zu machen. Aber sprach man ihn auf Berlusconi an, ließ er sofort Sprüche los, die er wohl schon oft gesagt hatte: "Berlusconi ist wie ein Avatar. Die Italiener haben 3-D-Brillen auf. Man muss ihnen nur die 3-D-Brillen wegnehmen, dann ist er auch weg. Unser Land besteht aus Monstern und Hologrammen. Das ist ganz schnell vorbei."

Dass das Wunschdenken ist, weiß Beppe Grillo, denn er hält ja die italienischen Verhältnisse sogar für ansteckend wie ein Virus: "Politik, Wirtschaft und Finanzwesen sind in den Händen der gleichen Personen, wir reden vielleicht von hundert Familien, hundert Kapitalisten, diese Arschlöcher, die alles auf Schulden kaufen. Wir reden von Politikern, die es mit der N'drangheta treiben. Die N'drangheta ist unsere größte Firma. Ich toure durch Europa um Franzosen, Deutsche, Engländer zu warnen: Passt auf, wir sind gefährlich, unsere Weltanschauung ist gefährlich, glaubt mir, wir haben den Faschismus erfunden und ihr habt darüber gelacht, wir haben die Banken erfunden und ihr habt darüber gelacht. Jetzt erfinden wir diese Art von Politik."

Diese Art von Politik herrscht in Italien freilich nicht erst seit Berlusconi. Beppe Grillo blickt um 150 Jahre zurück: "Man muss sich die italienische Staatsgründung ansehen. Seit damals sind wir kein geeintes Volk. Schauen wir uns die Franzosen an: Ein Volk, mit Revolution, Guillotine, Napoleon. Wir hatten Mussolini statt Napoleon, Berlusconi statt Napoleon. Wir waren nie ein Land, bei uns ist nie die Demokratie ausgebrochen, Wir sind nicht ein Volk. Sizilianer, Sarden, Mailänder, Südtiroler - völlig verschiedene Kulturen sind Teile des gleichen Landes, es gab weder Einheit noch Demokratie im Sinn von Basisdemokratie, bei den Bürgern, in den Institutionen, nie."

Wirtschaftpleite als Chance

Besteht denn dann überhaupt noch irgendeine Hoffnung für Italien? "Wir sind jenseits jeder Hoffnung", sagt Grillo, "aber wir haben jetzt eine große Gelegenheit. Der Zusammenbruch der Wirtschaft kann uns lehren kann, einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Jetzt ist die Politik vermischt mit der Wirtschaft, der Mafia, der Freimaurerei, der Kirche, ein unentwirrbares Knäuel. Die Wirtschaft muss jetzt noch die letzte Schlappe hinnehmen. Wir haben Schulden von 1.800 Milliarden, jeden zweiten Tag kommt eine Milliarde dazu, unser Finanzminister hat schon versucht, unsere Schulden den Chinesen zu verkaufen. Schulden sind das einzige Wachstum in Italien. So kann man nicht regieren. Eine wirtschaftliche Pleite wird uns gut tun, das führt zum Wechsel."

Aber gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen neigen die Bürger doch eher dazu, wiederum konservativ zu wählen. "Ja, das ist der Bürger alten Schlags, ich rede von den 30-Jährigen, die eine andere Art von Information und Kultur haben, eine erweiterte Wirklichkeit, man braucht keine Vermittler mehr, der Journalist der Zukunft ist ein 14-Jähriger, der bei Twitter vier Meldungen verschickt", sagt Grillo.

"Die Herausgeber verschwinden, die Zeitungen aus Papier sterben, das Fernsehen kann nicht mehr von der Werbung leben. Alle Vermittlungen zwischen den Bürgern und politischer und wirtschaftlicher Macht werden eliminiert, die Menschheit ist in größter Umwälzung begriffen, die Sprache, die Kommunikation, die Wahrnehmung."

Und Politiker, sagt der Antipolitiker Beppe Grillo, werde man dann nicht mehr brauchen: "Die Politiker werden von der kollektiven Intelligenz ersetzt, vom Netzwerk, wir brauchen ja keine Repräsentanten, die nur Lobbys und sich selbst repräsentieren."

Nicht nur Politiker werfen Beppe Grillo vor, ein Demagoge zu sein, der keine Alternativen anzubieten habe. Bei den letzten Regionalwahlen hat Grillo Bürgerlisten unter der Marke Cinque Stelle ("Fünf Sterne") antreten lassen. Die Erfolge waren sehr bescheiden.

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Beppe Grillo