Südafrika schöpft Hoffnung

"The team has given us hope"

Die Fußball-Weltmeisterschaft hat in Südafrika einen wahren Sturm der Begeisterung ausgelöst. Das Fieber hat alle Bevölkerungsschichten ergriffen, bei der offiziellen Verabschiedung der Nationalmannschaft waren im ganzen Land feiernde Menschen auf den Straßen. Bei der Eröffnungszeremonie wird auch Nelson Mandela erwartet.

Mittagsjournal, 10.06.2010

Vater der Nation kommt

In Südafrika beginnt morgen die Fußball-Weltmeisterschaft. Es ist die erste in Afrika und sie wurde an das wichtigste Land am Kontinent vergeben. Bisher war Rugby die Sportart Nummer eins in Südafrika, doch das augenblickliche Fußballfieber hat das ganze Land in seinen Bann gezogen. Schon Donnerstagabend gibt es ein großes Eröffnungskonzert, mit internationalen Stars wie Shakira, Bryan Adams oder Andrea Bocelli. Morgen folgt, vor dem ersten Spiel Südafrika gegen Mexiko, die offizielle Eröffnungs-Zeremonie. Inzwischen ist auch klar, dass der fast 92-jährige Nelson Mandela ganz kurz dabei sein wird. Jener Mann, der Südafrika aus der Apartheid führte und noch heute der Übervater der Nation ist.

Gelb-Grüne Straßen

Schon wenn man auf dem Flughafen von Johannesburg ankommt, ist einem sofort klar: diese Nation ist derzeit dem Fußball verfallen. In der überfüllten Ankunftshalle hört man bereits die allgegenwärtigen Vuvuzelas, jene Plastik-Tröten, die die Begleitmusik zu den Matches des Südafrikanischen Teams sein wird. Überall gibt es Nationalflaggen, die dominierende Farbe ist gelb-grün, Südafrikas Teamfarbe bei diesem Turnier. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, aber ausgesprochen freundlich – und hoffnungsvoll.

Ein Drittel unter der Armutsgrenze

Hoffnung ist das, was Südafrika seit Jahrzehnten aufrecht erhält und antreibt. War es in der Apartheid-Zeit die Hoffnung auf Demokratie, so ist es seither die Hoffnung auf ein besseres Leben. Für die meisten Südafrikaner hat sich das bisher nicht eingestellt. Trotz Wirtschafts-Wachstumsraten von fünf Prozent pro Jahr liegt die Arbeitslosigkeit bei 25 Prozent. Die Wellblechhütten-Townships wachsen schneller, als der Staat dort anständige Häuser bauen kann. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze und von weniger als zwei Dollar am Tag. Von Sanitären Einrichtungen westeuropäischen Standards oder von Strom können viele Menschen nur träumen, aber die Hoffnung hält sie aufrecht.

Fußball-Team schenkt Menschen Hoffnung

Bildung und Jobs sind immer noch Mangelware, vor allem bei der schwarzen Bevölkerung. Sie hat am wirtschaftlichen Aufschwung am wenigsten teilgenommen, nach dem Ende der Rassenschranken haben sich Wirtschaftsschranken aufgebaut: Mit den meisten Weißen und einigen Schwarzen auf der einen Seite und der Masse der schwarzen Bevölkerung auf der anderen, weniger schönen. Und doch: Hoffnung ist auch jetzt wieder zu spüren, wie auch der Vorsitzende des Südafrikanischen WM-Organisations-Komitees, Danny Jordan konstatiert: diesmal hat das Fußball-Team der Nation Hoffnung geschenkt.

Für WM viel geschafft

Die Hoffnung gründet sich darauf, dass Südafrika Dinge geschafft hat, die ihm nicht zugetraut wurden, auch wenn stets nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Die Bauzeit der Stadien wurde zwar überschritten, aber fertig wurden sie alle rechtzeitig. Die Straßen zu den Stadien und um die Flughäfen wurden verbessert oder neu gebaut, ebenfalls rechtzeitig. Auch der Schnellzug vom Oliver Tambo Flughafen in Johannesburg fährt. Seit vorgestern befördert er Passagiere, wenn auch nur bis ins noble Johannesburger Viertel Sandton. Bis Pretoria soll er es nächstes Jahr schaffen und dann auch als öffentliches Verkehrsmittel für Pendler dienen.

Probleme verschwinden nicht nach WM

Selbst die Taxifahrer und Minibus-Unternehmer haben sich mit der Stadtverwaltung geeinigt, nachdem sie ihre Felle durch den neuen Zug davon schwimmen sahen. Jetzt sollen sie ins öffentliche Nahverkehrssystem eingebunden und dadurch wirtschaftlich gestärkt werden. Aber auch Danny Jordan vom Organisationskomitee gibt zu, dass die Probleme durch die Fußball-WM nicht verschwinden.

Große soziale Herausforderungen

Probleme wie Arbeitslosigkeit, mangelnde Bildung, und zu viele Politikerversprechen, die nicht eingelöst wurden. "Die Probleme mit den gebrochenen Versprechen waren schon vor der WM da und sie werden es auch noch nachher sein. Südafrika steht noch immer vor gewaltigen sozialen Herausforderungen. Aber mit der WM haben wir beweisen, dass wir Infrastruktur rechtzeitig aufbauen können, und ich hoffe, dass das Beweis genug ist, dass wir es auch nach der Weltmeisterschaft können", sagt Danny Jordan.

Volksfeststimmung auf den Straßen

Die Hoffnung auf der Straße ist natürlich, dass die südafrikanische Fußball-Nationalmannschaft die Gruppenphase übersteht, eventuell sogar bis ins Halbfinale oder ins Finale kommt. Gestern, als die Fußballer in Johannesburg offiziell zur WM verabschiedet wurden, war in vielen Zentren zahlreicher Städte in kürzester Zeit Volksfeststimmung auf den Straßen, mit zehntausenden Menschen, die ausgelassen feierten.

"Menschen haben Perspektiven"

Eine junge Frau inmitten der Menschenmenge bringt die Hoffnung der Südafrikaner auf den Punkt: "Die Touristen, die herkommen, werden sehen, was für schönes Land das ist. Die Organisation ist gut, die Menschen hier haben wieder Perspektiven, und alle anderen werden hoffentlich nachher denken: Südafrika ist nicht so schlecht, wie wir geglaubt haben."
Schwarze und Weiße ziehen Arm in Arm durch die Straßen, schreien sich gemeinsam die Seele für "bafana bafana", ihr Nationalteam aus dem Leib. Und insgeheim hoffen viele auf ein Fußballwunder mit "happy end" für Südafrika.