Buhs für Regisseur Claus Guth
"Tannhäuser"-Premiere in Wien
In der Wiener Staatsoper ging am Mittwochabend mit Wagners "Tannhäuser" nicht nur die letzte Premiere dieser Saison über die Bühne. Es war auch die letzte Neuproduktion der Ära Holender. Claus Guth hat inszeniert und vom Großteil des Publikums Ablehnung erfahren.
8. April 2017, 21:58
Kultur aktuell, 17.06.2010
Franz Welser-Möst stand auch am Pult des Wiener Staatsopernorchesters und leitete damit auch gleich seine Amtszeit ein. In den Hauptpartien waren Johan Botha, Christian Gerhaher und Anja Kampe zu hören.
Publikum verärgert
In puncto Regie war es wieder einmal eine ziemlich klare Sache: Ein Großteil des Publikums lehnte Claus Guths Ideen ab und machte seinem Ärger Luft. Der Erfolg lag eindeutig auf der musikalischen Seite, die Franz Welser Möst als Dirigent der Produktion zu verantworten hatte.
Erstaunlich unerotisch
Claus Guth verlegt Tannhäuser ins Wien um 1900 - ins Schnitzler'sche Wien. Das Schwindfoyer wird zu Halle der Kommunikation - des Sängerwettstreits, Venus wirkt im heute noch bekannten Etablissement "Hotel Orient" - das jedoch, wenn die Bemerkung erlaubt ist, auf erstaunlich unerotische Weise.
Vielleicht landet Tannhäuser deshalb am Schluss im psychiatrischen Sanatorium Steinhof, wo auch die Pilger - sie waren im ersten Akt in Frack und Zylinder nach Rom ausgezogen - in Zwangsjacken vorbeischauen.
Doppelmoral und Parallelwelten
Claus Guth geht es um Doppelmoral - wenn auch Landgraf und edle Sänger Venus' Etablissement frequentieren und um den Blick ins Innere. Denn Tannhäuser liegt im ständigen Zwiespalt von Sein und Schein, kann seinen Platz im Leben nicht finden, sucht sich Parallelwelten, die durch Doubles visualisiert werden.
War bislang die Pariser Fassung des Werks an der Wiener Staatsoper zu hören gewesen, hat sich Franz Welser-Möst diesmal für die Dresdener entschieden, weil sie stilistisch einheitlicher ist als all die anderen.
Unfreiwillige Komik
In der Titelpartie ist der schwergewichtige südafrikanische Tenor Johan Botha zu hören. Er hat den Tannhäuser erst einmal konzertant in der Pariser Fassung in Turin gesungen und präsentierte sich in stimmlicher Topform. Stimmlich unglaublich mitreißend - amüsiertes Glucksen geht allerdings dann durch den Raum, wenn er sich aufs Knie plumpsen lässt oder von zwei Choristen ziemlich mühsam hochgehieft wird. Sänger ist eben auch ein darstellerischer Beruf.
Anja Kampe debütierte als Elisabeth im Haus am Ring und hatte weniger Applaus, als ihr zugestanden wäre; für Venus Michaela Schuster mischte sich unter die Bravos das eine oder andere Buh; der aus dem Liedgesang bekannte Bariton Christian Gerhaher hingegen erntete für seinen sehr schlank timbrierten Wolfram heftige Ovationen.
Bis zu Saisonende ist Tannhäuser drei Mal an der Wiener Staatsoper zu erleben und steht dann auch gleich als Eröffnungsabend der neuen Direktion am 5. September 2010 auf dem Programm.