Wie spielerisch kann man Politik verhandeln?

Das Theater um die Migration

Zahlreiche Theaterprojekte haben in letzter Zeit versucht, mit den Mitteln des Urban Gaming und anderer Spielmechaniken neue Zugänge zu sperrigen Themen zu bieten. Im Zentrum sind dabei die Themen "Zuwanderung" und "Asylpolitik gestanden. Was können solche Projekte leisten?

Kulturjournal, 18.06.2010

Zwei Spieler des FC Sans Papiers werden vom Fußballplatz weg in die Schubhaft abgeführt und wenig später nach Nigeria abgeschoben. Ein 18-jähriges Mädchen, das in Österreich aufgewachsen ist, wird in ein Land verbannt, das sie nicht kennt.

Es sind dies zwei Fälle, die aufgrund ihrer Medienpräsenz viele Menschen in Österreich betroffen gemacht haben, und die in ihrer drastischen Entwicklung wohl auch in Erinnerung bleiben werden, auch wenn sie nicht von den meisten Medien nicht mehr behandelt werden.

Wie kann die Zivilgesellschaft auf offenkundig unmenschliche Umstände im Rechtssystem reagieren, wie ihren Unmut über Konflike mit der Menschenrechtskonvention zum Ausdruck bringen?

Angesichts der verworrenen Rechtslage im Asylwesen scheint es für juristische Laien fast unmöglich sich dazu zu äußern, was "rechtens" und was nicht mehr "gerecht" ist.

Aktuelle Kulturprojekte

Mehrere Kulturprojekte haben in den letzten Wochen das Themenfeld Asylwesen, Migration und Justiz aufgegriffen und zu verspielten Erlebnisveranstaltungen für das Publikum aufgearbeitet.

Beim Mitmach-Stationentheater "Pass-A-Porte" im Rahmen der Bezirksfestwochen in Wien/Margareten konnte das Publikum "einmal die Rollen tauschen, vom Staatsbürger zum Staatenlosen", "von einem Deutschkurs bis hin zur Wohnungssuche bleibt dem Publikum nichts erspart".

Auch bei der Wiener-Festwochen-Produktion "Schwellenland" konnte das Publikum mal ausprobieren, wie es so ist, wenn man staatenlos ist und der Abschiebung zu entgehen versucht - allerdings musste man dafür seinen Arbeitsalltag nicht aufgeben: über die "Entwicklung der Story" wurde man bequem per SMS am Laufenden gehalten.

Und "Europoly" schließlich, ebenfalls im Rahmen der Festwochen, übertrug die Prinzipien des Spiels Monopoly auf die Situation von EU-Immigranten: "Wir selber sind die Spielfiguren, die am eigenen Leib erfahren, wie unser gesamtes Sein durch Geld und Gesetze bestimmt wird."

Pro und Contra

Sind solche Projekte gute Unterhaltung für diejenigen, die eh wissen, was im Argen liegt? Sind sie zynisch? Oder können Sie tatsächlich neues Wissen über Lebensrealitäten von Immigranten vermitteln? Hat die Kultur die Möglichkeit, ein Vokabular zu entwickeln, das den Diskurs aus den Sphären der Jurisdiktion und der Parteipolitik zurückholt in die Gesellschaft?

Im Ö1 Kulturjournal diskutieren Dejan Kaludjerovic, Künstler und Erfinder von Europoly, und Franzobel, Schriftsteller und Autor des Arigona-Stückes "A Hetz oder Die letzten Tage der Menschlichkeit", mit der Menschenrechtsanwältin und Vorsitzenden von SOS Mitmensch, Nadja Lorenz.