Im Gasstreit keine Einigung in Sicht

Lukaschenko ist ungehorsam

Im Gasstreit zwischen Russland und Weißrussland ist kein Einlenken in Sicht. Russland hat seine Lieferungen weiter gedrosselt und zwar um 60 Prozent. Weißrussland verlangt Transitgebühren. Zwischen den Präsidenten Medwedjew und Lukaschenko gab es einen verletzenden Wortwechsel.

Mittagsjournal, 23.06.2010

Lukaschenko will zweite Amtszeit

Alexander Lukaschenko möchte Anfang nächsten Jahres als Präsident seines Landes wiedergewählt werden. Und zwar mit mindestens 83 Prozent, wie beim letzten Mal. Das war zwar getürkt, aber auch wenn Lukaschenko die Wahlen nicht hätte fälschen lassen, eine Mehrheit wäre dem Mann mit dem Flair eines Kolchos-Vorsitzenden sicher gewesen. Die meist ländliche Bevölkerung schätzt dieses letzte pseudo-sowjetische Residuum mit klaren Strukturen, heimischen Produkten und einer gewissen Abschottung nach außen.

Moskau vermisst Gefügigkeit

Allerdings: Die Idylle muss finanziert werden und Russland hat für ein Regime gezahlt, das der russischen Führung zumindest im kleineren westlichen Nachbarland die so genannte orange Pest vom Leibe hielt. Für das billige Gas und das billige Öl, das Minsk zur Finanzierung des Budgets ins Ausland weiterverkaufen durfte, verlangte Moskau eine gewisse Gefügigkeit, die es bei Lukaschenko zuletzt allerdings vermisst hat.

Lukaschenko rebelliert

Lukaschenko hat versucht, freilich mit geringem Erfolg, seine Beziehungen zur Europäischen Union zu verbessern: Er hat dem kirgisischen Präsidenten Asyl gewährt, weil den Potentaten des postsowjetischen Raumes der Umgang Moskaus mit Bakijew nicht gefallen hat. Und er hat, trotz mehrfacher Anmahnung, Russland bei der Anerkennung Abchasiens und Südossetiens peinlicherweise in Stich gelassen.

Russland ruft zur Ordnung

Ministerpräsident Putin machte schnell eine Rechnung auf und hat der weißrussischen Seite gezeigt, welche finanziellen Ausfälle Russland hier im Dienste der Freundschaft zu tragen hat und das in Krisenzeiten. Gerade weil Russland wegen der Osterweiterung der NATO und den Raketenschildplänen der USA Weißrussland nicht fallen lassen wird, muss es Lukaschenko jetzt zur Ordnung rufen.

Druckmittel: Energiepreise

Moskau spürt dabei zunehmend, dass es durch die Fixierung auf Lukaschenko auch erpressbar wird. Eine Alternative, vor alllem eine demokratische, darf es nicht zulassen. Einen anderen, noch gefügigeren Kandidaten hat es nicht. Also muss Moskau mit Alexander Grigorjewitsch weitermachen, auch wenn es seine Ansprüche und Sonderwege längst leid ist. Die schrittweise Erhöhung der Energiepreise ist also ein gutes Mittel, Lukaschenko unter Druck zu setzen. Die Wahlgeschenke werden bescheidener Ausfallen, die Kritik im eigenen Land wird wachsen, für Lukaschenko wird das Regieren ab sofort schwieriger.

Geld statt Kuchen

Der von den USA als „Europas letzter Diktator“ apostrophierte Lukaschenko kann sich auch im Westen nicht mehr nach Alternativen umschauen. Durch seine Wahlfälschungen und die Verfolgung der Opposition hat er sich gründlich diskreditiert.

Der Hohn des russischen Präsidenten, Russland werde für das gelieferte Gas nur Geld und nicht Kuchen, Butter oder Käse nehmen, sollte verletzend sein und wurde in Minsk auch so verstanden. Die Vorstellung, in Kiew oder gar in Minsk könnte eine von Moskau unabhängige Politik gemacht werden, ist für die Moskauer Führung unerträglich. Die Bruderschaftrhetorik dementiert das nicht, sie ist der beste Beweis dafür.